2012 gründete Native Instruments, ein Hersteller für Soft- und Hardware für’s elektronische Musizieren, eine Band: Mostly Robot. Die Zusammensetzung riecht stark nach einer Allstars-Band. Techno-Soul-Ikone Jamie Lidell singt. Der „DMC DJ Contest“-Gewinner DJ Shiftee aus New York legt digitale Vinyl auf. Breakcore-Experte Tim Exile besorgt die experimentellen Loops. Jeremy Ellis aus Detroit trommelt die digitalen Drums (mit den Fingern) und Mr. Jimmy aus Nashville sogrt am Keyboard für die Harmonien.
Das visuelle Konzept für die Bühnenshow der Band stammt von der Berliner Pfadfinderei, die auch Modeselektor ins rechte Bild rücken. BLN.FM traf die „elektronische Supergroup“ auf dem Budapester „Electronic Beats Festival“ im September diesen Jahres zum Interview.
BLN.FM: Wie kam Native Instruments auf die Idee, aus euch eine Gruppe zu machen?
DJ Shiftee: Wir alle haben bereits öfter mit Native Instruments im Rahmen diverser Werbekampagnen zusammengearbeitet. Tim Exile, Jeremy Ellis und ich jammten bereits auf einer NI-Jubiläumsfeier. Dort kam die Idee, so ein Bandprojekt auf die Beine zu stellen. Als Jamie Lidell und Mr. Jimmy schließlich hinzukamen, war es dann soweit.
Jeremy Ellis: Wir kannten uns vorher noch nicht. Das erste Mal traf ich Tim und Shiftee im Januar. Jamie und Jimmy habe ich erst circa eine Woche vor dem Sónar-Festival 2012 kennengelernt.
Mr. Jimmy: Wir verbrachten dann etwas Zeit in Nashville. Jamie und ich leben dort.
BLN.FM: Wie fühlten sich die ersten Shows für euch an?
Mr. Jimmy: Es war ein großes Experiment. Wir spielen von Gig zu Gig, wobei wir bei jedem Auftritt den vorigen überbieten wollen. Das läuft gut so, weil wir eine großartige Zeit zusammen verbringen und uns mögen.
BLN.FM: Wie können wir uns den Entstehungsprozess dieser speziellen Art von Musik vorstellen? Improvisiert ihr viel live auf der Bühne?
Tim Exile: Genau. Jeder von uns fügt seinen Teil bei und macht erstmal Lärm, anschließend jammen wir eine ganze Weile. Irgendwann gelangen wir an einen Punkt, an dem sich eine bestimmte Stelle echt cool anhört und Spaß macht. Dann überlegen wir, wie wir etwas Struktur hineinbekommen. Oder Jamie schickt Songs aus seinem Album und ein paar B-Seiten. Man könnte sagen, dass wir zu 60 Prozent eingeübte Songs live spielen. Der Rest ist Improvisation.
Jamie Lidell: Das führt schließlich zu einer Art Jazz-Formation, die sich gewachsen anfühlt. Es gibt viele große Künstler in dem Bereich, wie John Coltrane oder Miles Davis, die jeder für sich eine Bühne füllen. Aber sie haben auch schonmal zusammen gespielt und sich gegenseitig auf der Bühne beeinflusst. Das war auch bei uns die Idee einer „Gruppe“.
BLN.FM: Jeder von euch hat besondere, individuelle Fähigkeiten. Ensteht, wenn ihr zusammenkommt, eine Art „Superkraft“?
DJ Shiftee: Definitiv. Wenn ich die Anderen auf der Bühne beobachte, fühle ich mich, als wären höhere Kräfte im Spiel. Wenn Jeremy beispielsweise sein Solo gibt, oder Tim „Windowlicker“ von Aphex Twin einspielt fühlt sich das großartig an. Jeder macht zwar seinen eigenen Job, aber die Kollaboration versprüht trotzdem jede Menge Energie.
BLN.FM: Ihr verwendet Skizzen von Herbie Hancocks „Rockit“, Aphex Twins „Windowlicker“ und „Juicy“ von Notorious B.I.G. Wie passt das zusammen?
Jeremy: Das klingt für mich nach der Geschichtsschreibung großartiger elektronischer Musik. Wenn man noch zehn weitere hinzufügen würde, wären das wirklich die größten Produzenten aller Zeiten. Jeder von uns wiederum ist auf seine Art ein Pionier, der aktiv versucht, etwas eigenes aus den Vorlagen zu kreieren und damit in eine andere Richtung zu gehen. All diese Künstler haben das auch getan.
BLN.FM: Mostly Robot besteht aus mehr als nur drei Mitgliedern und ist aus diesem Grund schwieriger zu steuern. In Anbetracht dessen: Gibt es bei euch eine Art Führungpersönlichkeit?
Shiftee: Jeder von uns könnte mal die Führung übernehmen. Tim trat zum Beispiel sehr leidenschaftlich für „Windowlicker“ ein. Jamie & Jimmy sorgen sich um die richtige sexy Jam-Atmosphäre. Jeder bringt verschiedene Einflüsse mit ein, mit denen er aufgewachsen ist. Jeremy liefert irres Zeug aus Detroit. Ich steuere ein bißchen Hip Hop und Underground-Bass bei. Es macht einfach Spaß, all diese Sachen zusammen zu hören und uns gegenseitig zu inspirieren.
Jimmy: Wie gesagt bringt jeder was anderes mit ein. Ich komme aus Nashville und bin stark von Country und Rock ’n‘ Roll beeinflusst. Ich finde es dennoch toll, wenn ich Dubstep-Bässe wie in Tims Version von „Windowlicker“ höre. Es stimmt, was Jamie vorhin sagte. Wir sind eine Art elektronische Jazz-Band. Die meisten Jazzmusiker nutzen bestimmte Vorlagen, Standards. Herbie Hancock nannte ein Album aus den 1990ern „The New Standard“ und spielte da drauf Nirvana-Songs. Auch wir nehmen Songs und verändern diese. „Windowlicker“ ist für Tim eine fantastische Grundlage seine Loops und Programming einzusetzen. Jeremy und ich nehmen seinen Sound wieder auf und gehen in ein Drum-Solo über. Das Gleiche mit „Biggy“. So zu arbeiten ist Jazz und macht Riesenspaß. Aber nicht traditioneller Jazz – der ist ehrlich gesagt tot, und wird auf alten Instrumenten gespielt. Wir nutzen das Jazz-Konzept und bringen alles zusammen.
BLN.FM: Mostly Robot besteht ja nicht nur aus großartigen Musikern, sondern verfügt auch über ein besonderes visuelles Konzept der Pfadfinderei. Was ist der Unterschied zu „normalen“ Visuals?
Tobi (Pfadfinderei): Wir wollten die Musik etwas mehr in den Vordergrund rücken, indem wir visuell zeigen, was tatsächlich auf der Bühne geschieht. Jeder bekommt ein visuelles Muster zugewiesen, das genau auf jede Note, jede musikalische Veränderung reagiert. So bekommt das Publikum die Möglichkeit zu sehen, was wirklich passiert. Es ist also ein Mix aller Instrumente, aber auch atmosphärische Visuals fließen mit ein. Diese bereiten wir wie immer vor und bereiten sie für die Stimmung der Songs, in Interaktion mit dem Publikum, spontan auf.
(Das Interview mit Mostly Robot ist gekürzt und zur besseren Lesbarkeit in der Abfolge der Antworten geändert.)
Das komplette Interview als Audio:
http://soundcloud.com/bln-fm-interviews/interview-mostly-robot
(Foto oben: Native Instruments; Foto unten: Yumiko Pohl)