How To Dress Well – Total Loss

Auf dem Cover von „Total Loss“ liegt eine Männerbüste auf einem Balken und schaut in den Himmel. Schlicht weiß ist sie, wie man sie sich eben vorstellt, wenn man an den klischeehaften, griechischen Archetyp denkt. Die mit ein bisschen Fantasie zu entdeckende Antik-Hommage ist aber auch das Einzige, was einen Hinweis darauf gibt, dass Tom Krell alias How To Dress Well tatsächlich ein Philosophie-Studium absolviert hat. Auf den ersten Blick scheint sich auf Krells zweitem Studioalbum nach dem gefeierten „Love Remains“ nämlich sonst nicht viel Tiefsinniges verlaufen zu haben. Auf den zweiten Blick sieht das alles schon wieder anders aus. Aber der Reihe nach.

Die zehn Tracks auf „Total Loss“ reihen sich problemlos in die Future R&B-Garde ein, die momentan durch die Musikwelt marschiert. The Weeknd-Assoziationen lassen sich partout nicht vermeiden, wenn Krell mit seinem Sopran auf einer Mischung aus Electropop, Ambient und R&B-Klängen vor sich hin jammert. Der Unterschied: How To Dress Well fehlt irgendwie die Coolness, die kleine Prise Erotik, die das Gejaule so attraktiv machen kann. Lediglich bei der Vorabsingle „Cold Nites“ lässt sich erahnen, dass Tom Krell Abel Tesfaye vielleicht doch das Wasser reichen könnte.

„Say My Name Or Say Whatever“ erinnert im Titel zwar an den altbekannten Destiny’s Child-Klassiker, verspielt aber bereits in den ersten Sekunden die Möglichkeit, eine Nummer mit ähnlich coolem Charme zu werden. Stattdessen erklingt ein Pianogeklimper, das Marc Cohn neidisch machen würde – allerfeinster Pop. Ein ähnlicher Eindruck, wenn auch durch andere Mittel erzielt, entsteht bei „Running Back“ und „& It Was You“. Die beiden Nummern wirken mit ihren Choreinsätzen, Rhythmus-Schnipsern und gefühlvollem Gesang wie zu Recht verschollene Michael Jackson-Werke. Es sind zwei andere Titel, die aus der Popmasse des Albums hervorstechen. Da wäre zum einen „World I Need You, Won’t Be Without You“, ein mit Streichern gespicktes Instrumentalstück, das zwar schlicht, aber sehr schön geworden ist. Zum anderen „Set It Right“, eine Art selbsttherapeutisches Klagelied, in dem How To Dress Well begleitet von einem Klangteppich seinen Gefühlen freien Lauf lässt .

Selbsttherapie ist auch der Aspekt, der dem seichten Album letztendlich dann doch noch das gewisse Etwas verleiht. Krell hat nämlich selbst vor Aufnahme des Albums den „Total Loss“, den großen Komplettverlust erlitten. Innerhalb kurzer Zeit starben sein bester Freund und sein Onkel, das Album diente als Mittel zur Verarbeitung dieser traumatischen Erlebnisse. Und unter diesem Gesichtspunkt wirkt die scheinbare Oberflächigkeit angemessen – die Leichtigkeit des Pop als Trostspender in harten Zeiten, das uralte Musik als Therapie-Prinzip. Trotzdem bleibt zu hoffen, dass Tom Krell weitere Schicksalsschläge erspart bleiben. Sowohl für ihn persönlich als auch für die Musikwelt wäre das wohl von Vorteil.

Preview:

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Tracklist:

  1. When I Was In Trouble
  2. Cold Nites
  3. Say My Name Or Say Whatever
  4. Running Back & It Was You
  5. World I Need You, Won’t Be Without You
  6. Struggle
  7. How Many?
  8. Talking To You
  9. Set It Right
  10. Ocean Floor For Everything

(Weird World)