Gemeinsam am Ende der Welt

Im Oktober 2011 bereiste das Künstlerkollektiv Scenic – eine Gruppe aus Filmemachern, Fotografen und einem Komponisten – die größte Vulkaninsel der Welt: Island. Gemeinsam sammelten sie Ton- und Bildmaterial auf der mystischen Insel. Heraus kamen dabei ein Bildband, ein Dokumentarfilm sowie der Soundtrack zum Film, der auf den aufgenommenen Umweltgeräuschen basiert. Der Film wird derzeit auf Festivals in aller Welt gezeigt. BLN.FM traf Anthony Ciannamea, den Kopf der US-amerikanischen Künstlergruppe, zum Interview.

Was ist die grundlegende Idee hinter eurem Werk „Outliers, Vol. 1: Iceland“?

Zunächst einmal: Als „Outlier“ wird auf Englisch eine Person oder eine Sache bezeichnet, die von ihrem eigentlichen Körper oder System getrennt ist. Als wir mit der Arbeit am Konzept begannen, schien uns das Wort „Outlier“ sehr passend. Es spiegelt auch den Kerngedanken des Projektes wider: Eine Gruppe kreativer Menschen, die sich gegenseitig nicht kennen, kollaboriert außerhalb ihrer alltäglichen Umgebung an einem vollkommen fremden Ort.

Warum habt ihr euch gerade für Island entschieden?

Es schien uns der perfekte Ort, denn der Insel eilt ihr Ruf voraus. Island ist ein Paradoxon in seiner landschaftlichen Struktur – karg, unvollendet und rau, aber gleichzeitig wunderschön. Die Menschen sind so herzlich und gastfreundlich, egal wie wenig einladend und wechselhaft das Wetter auch sein mag. Hinter jeder Ecke verbergen sich atemberaubende Dinge oder Klänge. Wir waren auf der Suche nach einer Herausforderung und einem Abenteuer. Unsere beiden Fotografen Tim Navis und Kim Holtermand wollten dort außerdem seit Langem einmal gemeinsam arbeiten.

Wie seid ihr als Gruppe zusammen gekommen? Kanntet ihr euch vorher schon?

Begonnen hat alles mit Tim und Kim, die gemeinsam eine Fotoband-Serie ins Leben rufen wollten. Außerdem sollte das Projekt filmisch dokumentiert werden. Ich kannte Tim schon länger über das Internet und er war auf der Suche nach Filmemachern, die das Projekt begleiten wollen. Scenic ist ein Künstlerkollektiv, das ich gemeinsam mit Ryan Sievert und Mark Wisniowski in Chicago gegründet habe. Neben unserer Arbeit in der Werbung haben wir aber auch angefangen Musikvideos umzusetzen. Das hat Spaß gemacht und wir wurden schnell hungriger nach größeren Projekten.

Wir haben dann von der Outliers-Idee gehört und fanden, dass wir das Projekt bereichern könnten. Wir fragten uns: Warum nehmen wir nicht einen Komponisten mit, der Umgebungsgeräusche aufnimmt? Warum nicht auch andere Musiker einbinden, die unser Material nutzen können, um Songs zum Soundtrack beizusteuern? Das wurden dann übrigens große Namen wie: Eskmo, Goldmund oder Loscil. Schließlich stieß noch Deru zur Gruppe hinzu. Wir kannten ihn schon länger und waren Fan seiner Musik. Zudem brachte er eine Menge Erfahrung mit, da er schon für zahlreiche TV-Produktionen Musik komponierte. Er war es auch, der die Klänge und Bilder zusammenbrachte und einen gemeinsamen Kontext erschuf.

In welchen Ecken Islands habt ihr denn euer Material gesammelt? Gab es eine fixe Route?

Insgesamt waren wir acht Tage in Island. Wir sind das natürlich ein wenig übermotiviert angegangen. Rechnest du in der Vorbereitung mit einer Stunde Reisezeit von A nach B, dauert es in der Realität dann doppelt so lang. Theoretisch kann man die große Ringstraße einmal um Island herum in einem Tag abfahren. Letztlich sind wir die ersten vier Tage die Ringstraße entlang gefahren und die anderen vier Tage verbrachten wir in einer Hütte in der Nähe von Reykjavík, um am Material zu arbeiten. Du willst dann am liebsten auch hinter jeder Kurve aufs Neue anhalten und das dokumentieren, weil Islands Landschaften so einzigartig und fesselnd sind. Dazu kam natürlich auch, dass wir uns alle zum wirklich ersten Mal sahen. Das machte diesen Trip noch spezieller. Erst in der zweiten Hälfte, als wir mit dem Sammeln von Material fertig waren, hatten wir Gelegenheit, uns besser kennen zu lernen. Schließlich hat Deru dann auch noch eine Show in Reykjavík gespielt, bei der wir ihn zum ersten Mal live erleben konnten.

Wie konntet ihr dieses umfangreiche Projekt finanzieren?

Nahezu das komplette Geld wurde über das Crowdfunding-Projekt Kickstarter gesammelt. Wir haben aber auch selber im privaten Umfeld ein wenig gesammelt. Wir sind all den Leuten so dankbar, dass sie uns damit die Chance gegeben haben, so ein Projekt zu realisieren. Selbst von uns wusste keiner so richtig, was am Ende dabei herauskommen würde. Das gesammelte Geld brauchten wir für die Reise, Equipment und so weiter. Der Großteil ging schlussendlich in die limitierte Herstellung der physischen Datenträger. Wir wollten, dass die Leute ein permanentes und gleichzeitig realistisches Ergebnis unserer Reise in den Händen halten können. Deru und wir von Scenic haben das in unserer Freizeit gemacht. Manche haben für die Fertigstellung des Films sogar ihre normalen Jobs gekündigt.

Ob es einen zweiten Teil des Films geben wird, ist übrigens noch nicht sicher. Klar ist aber für Anthony: Ein möglicher zweiter Teil wird weniger umfangreich als der erste sein.

Der Film „Outliers, Vol.1: Iceland“ wird unter anderem beim Todays Art Festival 2012 gezeigt, das am 21. und 22. September in Den Haag stattfindet. Den kompletten Stream des Soundtracks gibt es auf Bandcamp.

Mehr Infos gibt es auf der offiziellen Website des Films.