Wieso um alles in der Welt bezeichnet man sein Soloprojekt eigentlich als Quartett? Thomas Bücker lacht, als ich ihm an einem schönen Abend im August kurz vor seinem Auftritt bei der „Ambient Opening Night“ des diesjährigen Krake-Festivals diese Frage stelle. Er bekommt sie häufiger zu hören. Zum Release seines zweiten Albums „II“ unter dem Pseudonym Bersarin Quartett sah er sich wieder damit konfrontiert. Ein willkürlicher aber kein böswilliger Täuschungsversuch als Teil eines Gesamtkonzepts: „Das ist alles ein Konstrukt, das von meiner Person ablenken soll“, erklärt er. „Es hilft dabei, allein mit der Musik eine Magie zu erzeugen, in die die Leute ungestört eintauchen können.“
Als „imaginäre, fiktionale Filmscores“ bezeichnet Bücker seine Musik folgerichtig. Aber wie versucht Bücker, nur durch Musik unseren inneren Filmprojektor zum Laufen zu bringen? „Indem ich mich auch an Filmmusikparametern bediene… Die Codes, die ich auch mit Artwork und eben auch mit der Musik den Leuten vorstelle, anbiete, die müssen eben halt individuell dechiffriert werden.“ Neben dem von Bücker – selbst als Grafikdesigner tätig – entworfenem Artwork spielen auch die Songtitel eine wichtige Rolle. Sie erzählen keine Geschichten, sondern sollen als Anreize für unser Vorstellungsvermögen dienen. Unter den Titelnamen seines zweiten Albums „II“ finden sich einige Zitate des 1914 verstorbenen Lyriker Georg Trakls. Verse wie Einsame wandeln still im Sternensaal bieten sich laut Bücker besonders gut an, um damit die Imagination seines Publikums zu füttern. Mit der „zeitlosen, lautmalerischen Sprengkraft“ von Trakls Texten geht Bücker wie mit Samples um, bringt sie in ein Zusammenspiel mit seiner Musik, um diese mit „so viel Emotionalität und Pathos“ aufzuladen wie nur eben möglich.
Im frühen Teenager-Alter zeigte er sich stark vom 1984 erschienenen Album „Zoolook“ des französischen Komponisten Jean-Michel Jarre beeindruckt. Nicht nur lieh er sich dessen Vornamen für sein anderes, cluborientiertes Projekt Jean-Michel. Auch die von Jarre verwendete Sampling-Technik lieferte das indirekte Vorbild für die Vorgehensweise, mit der Bücker die Tracks des Bersarin Quartetts komponiert. Außerdem stellte „Zoolook“ den ersten Berührungspunkt Bückers mit dem Ambient-Genre dar, dem auch die Musik der Bersarin Quartetts zugerechnet wird.
Nach Ambient-Pionier Brian Eno müsse Ambient-Musik in der Lage sein, viele Ebenen der Aufmerksamkeit anzusprechen, nicht aber eine im Besonderen. Genauso leicht zu ignorieren wie interessant solle sie sein. Wodurch aber zeichnet sich Ambient fast 40 Jahre später für Bücker aus? „Ambient ist für mich so eine gewisse Art von Musik, wo man halt explizit sehr viel Wert auf Raum legt, (…) auf ein Environment, das man kreiert, sich wirklich Gedanken um einen Raum zu machen. (…) Rein vordergründig passiert in Ambient-Tracks wirklich nicht viel, aber wenn man eintaucht und wirklich sensibilisiert ist für den Sound, für den Klang, für den Raum, für die Schichtung von Sounds merkt man schnell: Meine Güte, das ist so komplex, selbst das Einfache kriege ich gar nicht vollständig rezipiert!“
Damit wären wir wieder am Anfang angekommen. Ambient soll gleichermaßen als sonische Kulisse dienen wie auch eine subtile Einladung dazu darstellen, sich in den Klangräumen zu verlieren und den Geist wandern zu lassen. So wie auch Bücker es vorzieht, als Person in den Hintergrund zu treten, damit sein Publikum sich rein auf die Musik konzentriert und davon ausgehend Filme im eigenen Kopf entstehen lassen kann.
KilleKill bietet das gesamte Set des Bersarin Quartetts, welches Bücker gemeinsam mit seinem Live-Drummer Benjamin Kövener (der als Exchampion frickeligen Dubstep produziert) bestritt, auf Soundcloud zum Streamen und Downloaden an:
Das BLN.FM-Interview mit Thomas Bücker hier zum Nachhören:
http://soundcloud.com/bln-fm-im-fokus/im-fokus-bersarin-quartett