Meistens bringt man Animationsfilme ja mit Jugendlichen oder Kindern in Verbindung. Zeichentrickfilme, die sich der phantastischen, wenn nicht zuweilen surrealen Bildsprache bedienen, um Geschichten für Erwachsene zu erzählen, sind selten und verdienen deshalb umso mehr Beachtung – wie etwa die melancholischen und bewegenden Kriegserinnerungen in „Waltz With Bashir“.
„Chico & Rita“ dagegen ist eine elegante Liebesgeschichte, die im Kuba der späten 1940er-Jahre beginnt. Die Wege des überaus begabten Jazz-Pianisten Chico und der bezaubernden Sängerin Rita kreuzen sich in Havanna, das zu dieser Zeit als Vergnügungsinsel für zahlungskräftige Amerikaner dient. Ihr Verhältnis ist von Anfang an schwierig und beide sind zerrissen zwischen leidenschaftlicher Liebe, Eifersucht und wirtschaftlichen Interessen. Schließlich führt sie ihr Weg nach New York. Dort folgt der Zuschauer der faszinierenden Entwicklung des Jazz mit Protagonisten wie Dizzy Gillespie und erlebt den Einfluss, den kubanischer Musiker damals auf die New Yorker Szene übten.
Dieser romantische Plot ist zwar zugegebenermaßen etwas vorhersehbar – oder eher: klassisch -, aber gerade das klassisch Leidenschaftliche und die Musik machen „Chico & Rita“ zu einer Romanze von schwerem Duft, die vor lateinamerikanischem Temperament nur so brodelt und trotzdem einfühlsam auf die sozialen und musikalischen Probleme der dargestellten Zeit eingeht. Der Zuschauende taucht ein in das Havanna der Vierziger und Fünfziger Jahre, dessen Musikszene von amerikanischen Einflüssen beherrscht war und das einflussreiche Jazz-Musiker wie Chano Pozo hervorbrachte. Wir können die Entwicklung des Bebop in New York zu dieser Zeit ebenso verfolgen wie eine musikgeschichtliche Ebene der Konflikte, die sich aus dem amerikanischen Rassismus und schließlich Fidel Castros Revolution ergaben.
Dabei entwickelt „Chico & Rita“ die Stimmung vor allem aus den Bildern; der Charakter einer Stadt, einer Person oder die Stimmung in einer Situation ergeben sich wie selbstverständlich aus Farben, Formen und Bewegungen. Dies ist der Verdienst eines handverlesenen Teams von Animateuren, das Regisseur Fernando Trueba ausgewählt hat, um die Zeichnungen von Javier Mariscal filmisch zum Leben zu erwecken. Natürlich spielt auch die Musik in diesem Film ein herausragende Rolle: Der kubanische Musiker Bebo Valdéz kreierte aus Musik von unter anderem Dizzy Gillespie und Cole Porter einen Soundtrack, der nicht nur stilistisch ausgezeichnet in die Zeit passt, sondern dem Film zusätzlich eine tiefe Emotionalität verleiht.
„Chico & Rita“ ist ein ausgefeilter kunstvoller Animationsfilm, der eine klassische Liebesgeschichte im animierten Gewand erzählt und dabei wichtige Hintergründe mit einbezieht. Die großartige Musik und kunstvolle Animation dürften nicht nur Liebhaber von Jazz und romantischen Geschichten in ihren Bann ziehen.
(Alle Bilder: Koolfim Filmdistribution)
Chico & Rita, Großbritannien/Spanien 2010, Musik/Zeichentrick/Romanze. Ab dem 30. August unter anderem im Filmtheater am Friedrichshain, Bötzowstraße 1-5, Berlin-Prenzlauer Berg.