20 Jahre ist es her. Vom 22. bis 26. August 1992 greifen mehrere hundert, zum Teil rechtsradikale Demonstranten in Rostock Lichtenhagen das so genannte “Sonnenblumenhaus“ an, in dem zu diesem Zeitpunkt die “Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber“ und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter untergebracht sind. Am Ende fliegen Brandsätze auf das Haus, Fenster zersplittern und aus einigen Etagen lodern Flammen. Nur mit viel Glück können sich die Bewohner und Unterstützer in Sicherheit bringen. Nicht nur das Ausmaß der Gewalt und die Untätigkeit der Polizei schockieren. In Erinnerung bleibt auch der Anblick von Nachbarn, die hinter den Neonazis stehen und nicht nur zuschauen, sondern applaudieren und johlen. Das Fernsehen sendet die Bilder in die Welt.
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Zwei Jahrzehnte später stellt sich die Frage: Könnte sich so etwas wiederholen? BLN.FM hat das den Experten und Journalisten Patrick Gensing gefragt. Er betreibt das kritische Blog “publikative.org“, das sich mit Aktivitäten der rechten Szene in Deutschland auseinandersetzt. Zu diesem Thema hat er auch ein Buch veröffentlicht: „Angriff von rechts: Die Strategien der Neonazis – und was man dagegen tun kann.“ Im Oktober 2012 erscheint sein neues Buch „Terror von rechts“ über die Mordserie der Zwickauer Nazi-Zelle.
BLN.FM: 1992 fand das “Pogrom“ von Rostock-Lichtenhagen statt. Wie war das für Sie? Was ist da schief gelaufen?
Patrick: Für mich war das eine prägende Erfahrung, weil in Rostock deutlich wurde, dass die öffentliche Debatte über “Scheinasylanten“ und rassistische Gewalt direkt zusammenhängen. Zudem hat die Polizei hier in unfassbarem Ausmaß versagt. Das Versagen war so groß, dass man davon ausgehen muss, dass es politisch gewollt war, denn gegen Antifaschisten konnten die Einsatzkräfte sehr wohl vorgehen.
BLN.FM: Kann man jetzt, 20 Jahre später, davon ausgehen, dass so etwas nie wieder in Deutschland passieren kann?
Patrick: „Nie wieder?“ – das kann niemand beantworten. Aber in der Form wie 1992 sind rassistische Pogrome derzeit sehr unrealistisch. Damals war nicht nur die Bevölkerung in Rostock-Lichtenhagen für rassistische Hetze offen, sondern es herrschte auch bundesweit ein extrem aggressives Klima. So wurde im Mai 1992 ein Flüchtlingsheim in Mannheim belagert. Bereits 1991 feierten Bürger in Hoyerswerda ein rassistisches Stadtfest, bei dem es ebenfalls Angriffe auf Ausländer gab. Nur durch Zufall hat es der Mob in Lichtenhagen nicht geschafft, Menschen in den Häusern zu verbrennen. Es hätte leicht Dutzende Tote geben können.
BLN.FM: Im Fokus unseres Interesses steht vor allem Berlin. Hat sich hier etwas verändert in den 20 Jahren?
Patrick: Klar, es hat sich einiges geändert. In Berlin prallen linke Viertel und Neonazi-Strukturen teilweise offen aufeinander.
BLN.FM: Wäre es möglich, dass die NPD auch in Berlin in den Landtag einzieht, so wie etwa in Sachsen?
Nein, die NPD tritt in Berlin dermaßen radikal auf, dass große Wahlerfolge sehr unwahrscheinlich sind.
BLN.FM: Verstärkt sich in Berlin der Einfluss “von rechts“ – zum Beispiel durch Parteien wie „Pro Deutschland„?
„Pro Deutschland“ kann keinen großen Einfluss entwickeln, da eine Führungspersönlichkeit fehlt. Sarrazin sitzt noch immer in der SPD. Die Partei wird mittelfristig im parlamentarischen Betrieb keine Rolle spielen.
(Foto: wikicommons, Spiegel TV Still)