Pole: Großstadt-Dub aus heimischen Wäldern

Der Wald hat eine lange Tradition in der deutschen Kulturgeschichte. In der Romantik wurde er gar zur mythisch aufgeladenen Sehnsuchtslandschaft schlechthin stilisiert. Auch in der heutigen Elektronikmusikszene spielt der Wald hin und wieder eine Rolle – wie für Stefan Betke alias Pole, der im vergangenen Jahr die ersten beiden Singles seiner „Waldgeschichten“-Trilogie herausbrachte. Jetzt erscheint der dritte und letzte Teil.

„Ich bin jetzt nicht so ein Ökofreak, der Vogelgezwitscher-Platten machen will, das interessiert mich nicht“ sagt Betke im Interview und lacht. Seine Musik klingt demnach auch nicht wie eine Wald-und-Wiesen-Tiere-des-Waldes-Geräuschkulisse. In seinen Tracks verschmelzen kilometertiefe Bässe, flirrende Texturen und klickende Drums zu einem Amalgam, das seine Heimat sowohl in einer dichten Baumlandschaft als auch in den Häuserschluchten der Großstadt hat.
Anfang der 1990er begann der 45jährige in Düsseldorf in Bands Keyboard zu spielen. Nach einiger Zeit in Köln zog der Fan von Avantgarde-Jazz-Rock 1995 schließlich nach Berlin und entwickelte sich vom Bandmusiker zum Soloproduzenten für elektronische Musik. Hier kam er in Kontakt mit der florierenden Dubtechno-Szene um das Label Basic Channel, was für seine Musik nicht folgenlos blieb. Seit seinem ersten Album „1“ sind Bass und Raum zentrale Elemente in seinen Produktionen, was ihr auch immer wieder die Schublade „Dub“ einbrockt.

„Ich habe irgendwann gesehen, dass in meiner Musik eine Dub-Affinität drin ist, ohne dass ich versucht habe, Dub im ursprünglichen Sinne zu machen. Ich arbeite mit viel Bass und sehr räumlich, mache Hallräume und Delays auf. Das ist eher mein Dub-Einfluss: Die Methode Dub“, erklärt er sein Verhältnis zum Dub, der musikalischen Tochter vom Reggae.

Auch bei „Waldgeschichten“ werden mithilfe von Bass und Effekten immer wieder Räume geöffnet, die später wieder zusammen zu fallen scheinen. Im Vergleich zu den ersten beiden Teilen sind „Lurch“ und „Moos“ des dritten Teils klanglich wärmer gestaltet. „Die Vorstellung von der Atmosphäre aller Stücke ist bei langen Spaziergängen im Wald entstanden, wie auch die Fotos, die auf den 12inches draufkleben. Das ist so ein besonderer, kleiner Wald in Bayern, der seit Jahrzehnten unbearbeitet und inzwischen ein ziemlicher Urwald geworden ist“, erklärt Pole, wie er auf die Idee der „Waldgeschichten“-Reihe gekommen ist.

Der Wahlberliner sucht auf Ausflügen in Parks oder in die Uckermarck die Ruhe, die ihm in der Stadt immer wieder genommen wird: „Ich finde die Weite und Offenheit von Berlin toll. Leider ist es nicht mehr so wie früher, als man um die Straße gegangen ist und da auf einmal ein endloses Freigelände war, was einem eine ähnliche Energie gibt wie auf einem Berg zu stehen und weit gucken zu können“, erzählt er. „Das weit Gucken ist für mich ein Element, das total wichtig ist, weil das den Kopf wieder frei macht und die Enge, die man sich in seinen täglichen Zwängen aufbaut, wieder weg nimmt.“ Poles Musik klingt nach diesem Weitblick. Nach dichten Eichenwäldern und der wundersam darin versteckten Lichtung. Sie gibt Raum, um Gedanken entfalten zu lassen und sich zu versenken. Nächstes Jahr will Pole diese Atmosphäre auf Albumlänge erschaffen.

„Waldgeschichten 3“ erscheint am 27. August auf Pole.