Graue Häuserblocks so weit das Auge reicht. In der Doku-Inszenierung „This ain’t California“ erscheint die DDR als Betonwüste, die von Skatern – „Rollbrettfahrer“ im offiziellen DDR-Deutsch – erobert wird. Der Film zeigt damit Zeugnisse einer Jugendkultur, von der viele Zuschauer nicht mal geahnt haben, dass es sie gegeben hat.
Zuerst war die ostdeutsche Skaterszene auch für Regisseur und Skater Marten Persiel neu, der in West-Berlin geboren und in Hannover aufgewachsen ist. Als er eines Tages Skateboard-Fahrer auf dem Alexanderplatz sah, stellte er sich die Frage, ob dort vor dem Mauerfall auch schon mit Skateboards gebrettert wurde. Die Antwort gibt sein Debütfilm, der auf der diesjährigen Berlinale ausgezeichnet wurde.
Der Film führt nicht nur in die Geschichte der DDR-Skater-Szene ein, sondern erzählt auch von einer Freundschaft. Da ist unter anderen der rebellische Denis, von seinen Freunden „Panik“ genannt. Für die DDR soll er später einmal als Leistungsschwimmer bei internationalen Wettbewerben Goldmedallien holen.
Das Skaten auf den selbst gebauten Rollbrett ist für ihn ein Ausgleich zum Drill des ehrgeizigen Vaters. Und es ist für ihn eine Rebellion gegen die Ansprüche des sozialistischen Staates, zuerst mit Freunden im kleinen Kreis in Magdeburg, dann mit vielen Gleichgesinnten am Alexanderplatz in Ost-Berlin. Seine Geschichte endete 2011 in Afghanistan, wo er als Soldat getötet wurde. Im Film erinnern sich Freunde an den Unruhe stiftenden, lebenshungrigen Skater.
Und was machte die Staatssicherheit? Sah sie dem Treiben tatenlos zu? Es gibt Akten zum „unorganisierten Rollsport“. Daraus wird deutlich, dass der vom „Klassenfeind“ übernommene Sport den Machthabern ein Dorn im Auge war. Das Skateboarding schaffe „Unmoral, Skeptizismus und einzelgängerischen Individualismus“, tönte es auch im DDR-Fernsehen. Im Film erklärt dann auch ein ehemaliger Stasi-Offizier und Sportfunktionär im abgedunkelten Büro, dass durch die Beobachtung „subversive Elemente von den anderen“ getrennt werden sollten.
Kai Hillebrand spielt Denis in den nachgestellten Aufnahmen in Super8-Optik. Andere Filmschnipsel sind Originalmitschnitte, die dem Filmteam von Privatpersonen zur Verfügung gestellt wurden. Zuschauer können nicht zwischen authentischem Material und Nachdreh unterscheiden. Wegen dieser inszenierten Authentizität ist der Film in Kritik geraten. Doch warum sollte sich ein Dokumentarfilm nicht dieser schöpferischer Mittel bedienen? Gerade die kreative Verwendung verschiedener Stilmittel – Fotos, Filme, Interviews, Schwarz-Weiß-Animationen – macht den Film interessant, die Geschichte von Denis und die Subkultur der Skater lebendig.
Marten Persiel schafft mit seinem collageartigen Dokumentarfilm den Spagat zwischen DDR-Nostalgie und -Kritik. Das einzige, was verklärt wird, sind die „Ost-Mädels“.
“This Ain’t California”, Deutschland 2012, 90 Minuten, Dokumentarfilm. Seit 2. August in Berlin, ab 16. August bundesweit zu sehen.
(Fotos: Harald Schmitt)