Zwischen Chromfelgen und gregorianischem Trance

Fatima Al Qadiri

Ein Rapper präsentiert genüsslich einen dicken Stapel Dollar-Scheine in seinen Händen. Neben sich drehenden Chromfelgen eines bulligen Geländewagen, ein beliebtes Statussymbol in der Rap-Szene, tanzen Frauen in Bikini. Die Motive könnten auch in einem der Videos von 50 Cent, Wu Tang Clan oder anderen Hiphoppern vorkommen. Doch in diesen Fall ist es die Visualisierung zur Musik der in den USA lebenden senegalesischen Künstlerin Fatima Al Qadiri. Der amerikanische Künstler Kamau Patton erweitert die Szenerie mit Katalogbildern von Südsee-Atollen die mitten in türkisfarbenem Wasser platziert sind und über denen Diamanten kreisen. Al Qadiri behauptet: „Das ist der Soundtrack, den ein Rapper hört, wenn er in einem Wellness-Tempel entspannt.“

Das Zusammenspiel zwischen Musik und Bildern ist fester Bestandteil von Fatimas Kunst. Für die im Oktober 2011 auf Uno Records erschienene EP „Genre-Specific Xperience“,  hat sie mit verschiedenen Videokünstlern zusammengearbeitet. Jeder der fünf Titel bekam ein eigenes Video. Die fünf Titel sind ein Genre-Knäuel aus Dubstep bis hin zu gregorianischem Trance und  thematisieren so die konfliktreichen  religiöse Gegensätze, die die in Kuwait aufgewachsene  Künstlerin bis heute prägen.

Im Titel „Vatican Vibes“ mixt sie gregorianische Choräle mit modernen Breakbeats, verzerrten Synthies und karibischen Steel Pan-Klängen. Das Video, produziert vom Animationskünstler Tabor Robak, ist gespickt mit christlichen Symbolen. Im Stile einer Computerspiel-Demo bewegt sich die Kamera durch ein Science-Fiction-Szenario, in der eine Religion mit Biotechnologie, Waffen und Fahrzeugen namens „Pontifex“ zum Kreuzzug hochgerüstet wird (siehe Video).

Fatima und Tabor Robak provozieren. In ihrer Zukunftsvision ist Religion etwas hochtechnisches, sie manifestiert sich in prächtigen, menschenleeren Raumstationen, ganz im Gegensatz zu den muffigen Gotteshäusern der Gegenwart. Doch unter der Hochglanz-Oberfläche der Technik steckt dann doch die Tradition: Wie in simplen Computerspielen geht es um Kampf – und darum zu gewinnen, in dem die besten und effektivsten Waffen eingesetzt werden. Eine ziemlich abgehobene Vision – die aber grade dadurch einen spannenden Blick auf Religion bietet.

Es ist klar, dass Fatima Al Qadiri bei so viel Symbolik mit reichlich Interpretationsspielraum erstmal ein Fall für den Kunstbetrieb ist und jenseits der Tanzflächen unterwegs ist. So wurde die Veröffentlichung ihrer EP im New Yorker New Museum gefeiert, inklusive Panel-Dikussion. Im Januar 2012 arbeitete sie mit Khalid al Gharaballi an der Multimediapräsentation „Mendeel Um A7mad(NxIxSxM)“ für die Contemporary Art Platfrom Kuwait. Der 15-minütige Film wurde in einer überdimensionierten Box für Papiertaschentücher gezeigt – er ist Gesellschaftskritik an ihrer Heimat Kuwait.

Fatima Al Qadiri – „Hip Hop Spa“ ist erschienen auf der 3. Ausgabe der BLN.FM Compilation „Travelling Gems“ erhältlich bei Juno Records.

Mitarbeit: Alexander Koenitz