Gegensätze und Widersprüche können in Konflikte münden, sich derart komplizieren und verheddern, dass nur noch ein Schlusspunkt, eine Auflösung zum nötigen Ausgleich sorgt. Sie können aber genauso gut zum kreativen Austausch, zur Verflechtung und Schöpfung von völlig neuen Ressourcen führen. Schon Goethe wusste, dass uns das Gleiche in Ruhe lässt, während der Widerspruch aber das ist, das uns produktiv macht.
Eben dieser Umgang mit Gegensätzen und Widersprüchen wird auf dem zweiten Studioalbum von Willits + Sakamoto musikalisch thematisiert, dessen Titel „Ancient Future“ alleine schon eine Spannung in dieser Hinsicht erzeugt. Das Aufeinanderprallen der Generationen, musikalischen Spektren und Kulturen der beiden Protagonisten Ryuichi Sakamoto und Christopher Willits bestätigt diese Spannung – konfliktär ist das Ergebnis natürlich in keiner Sekunde.
Für Sakamoto ist dieser Crossover-Ansatz in seiner musikalischen Arbeit keinesfalls neu. Ob mit Fennesz oder Alva Noto, ob im Jazz oder in der Klassik: stets bewegt er scheinbar unvereinbare Sujets aufeinder zu, ohne im Voraus ein genaues Bild vom Ergebnis haben zu wollen. Der kalifornische Gitarrist und Soundfrickeler Christopher Willits, dessen Werk von Kollaborationen lebt, fügt sich perfekt in dieses Konzept ein. Nach der Zusammenarbeit auf dem Debüt „Ocean Fire“ bekommt er von Sakamoto eine Serie von Klavierstücken zugeschickt, die die Grundlage des aktuellen Albums „Ancient Future“ darstellen soll.
Was Willits schließlich mit diesem Material macht, ist – wie zu erwarten war – äußerst raffiniert. Er entreisst die Stücke aus ihrer Umgebung, platziert sie an einer Stelle, wo sie zunächst völlig verloren klingen und baut riesige Landschaften drumherum. Das Klavier wird mit hauchfeinen Soundschichten umhüllt und melodisch stellenweise durch minimale Gitarrenpickings entfremdet und unterbrochen, was auf „Releasing“ sehr klar zum Vorschein tritt. Während die Kadenzen, die Sakamoto als Grundlage liefert, auf ein Minimum reduziert sind, sind die Melodien, die Willits um diese bildet, tonal aufs Feinste geschliffen und überraschen in der Folge an einigen Stellen – besonders auf „Abandoned Silence“. Tracks wie „Levitation“ oder „Completion“ demonstrieren indes die eigentliche Stärke dieses Sechsteilers: die wundervollen Klangsphären, die es schafft.
Während das Debüt von Willits + Sakamoto klanglich etwas subversiver und von der Grundstimmung wesentlich düsterer war – man denke nur an „Sea Plains“ -, kann „Ancient Future“ als etwas durch und durch Ästhetisches, aber niemals plump Geradliniges gesehen werden, das wieder einmal Sakamoto‘s sehr feines Gespür für klangliches Fusionieren bekundet.
Preview:
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Tracklist:
- Reticent Reminiscence
- Abandoned Silence
- I Don‘t Want To Understand
- Levitation
- Releasing
- Completion