So war’s: Wasserspiele auf dem Melt! 2012

Fast wäre die Halbinsel Ferropolis mit ihren gigantischen Stahlbauten beim fünfzehnten Melt! Festival abgesoffen, so sehr hat es zur Jubiläumsausgabe geregnet. Schon bei der Ankunft am Freitag goss es wie aus Kübeln und die meist gestellte Frage der diesjährigen Auflage war vielleicht: Schirm lieber wieder aufmachen? Auch BLN.FM hat sich den feucht-fröhlichen Regenmarathon gegeben – hier ist unser Melt!-Bericht.

Freitag, der 13. Juli

Die Besucher zogen in Scharen mit Glitzer, Panda-Kostümen, Sombreros und Gummistiefeln bewaffnet zum ersten Volltreffer des Abends: The Rapture spielten auf der Hauptbühne. Der Himmel riss auf und die „Bench Main Stage“ wurde knallrot von der Abendsonne beschienen; alles in allem ein krachender und gelungener Einstieg in den Abend. In der Nacht stellten, dann wieder bei strömendem Regen, Bloc Party ein paar Lieder ihres neuen Albums „Four“ vor, aber auch Klassiker wie „Banquet“ wurden gespielt. Sänger Kele Okereke zeigte sich mitfühlend mit der durchnässten Menge und dankte für’s Kommen. Übrigens kommt die diesjährige offizielle Melt!-Hymne namens „Octopus“ von Okereke und seinen Jungs.

Schauerlich, und nach dem Konzert Bloc Partys völlig unpassend, war der Auftritt des britischen Dubstep-Duos Nero, welches vielleicht versucht hat, auf der höchsten DJ-Kanzel der Welt den aufgeblasensten Rave-Terror weit und breit zu zelebrieren. Das absolute Kontrastprogramm gab’s dann wieder von Peter Licht im „Intro-Zelt“ – eine Stunde lang feinster Indie-Pop, gefüttert mit seinen ironisch-intellektuellen, mal lustigen und mal melancholischen Texten. Irgendwie wollten aber der brav zugeknöpfte Licht und seine ebenso unauffälligen Band-Mitstreiter nicht in die laute Festivalatmosphäre passen und lieferten eher ein leises Kammerspiel ab.

Samstag, der 14. Juli

Der Tag begann mit einem beeindruckenden Sturm, der für ein unsanftes Erwachen sorgte, indem er einige Zelte auf eine harte (zum Teil zu harte) Festigkeitsprobe stellte. Das erste Konzert artete folgerichtig in Gummistiefelwettmatschen aus: Auf der „Big Wheel Stage“ spielte der für seine Remixe beliebte Norweger Todd Terje.

Der großflächige Dream-Pop vom Duo Man Without Country (Foto oben: Tomas und Ryan) wirkte im „Intro-Zelt“ vor magerem Publikum indes etwas verloren, weil die meisten lieber draußen ein paar Minuten seltene Sonne tankten. Die zwei Waliser spielten ihre aktuelle Platte „Foe“. Deutlich weniger Melancholie, dafür aber mehr Bootyshaking zum Sonnenuntergang gab’s auf der von Modeselektor kuratierten „Melt!Selektor“-Bühne am See mit Sound Pellegrino Thermal Team (Foto unten). Die zwei Franzosen Teki Latex und DJ Orgasmic (ex-TTC) mischten ihren Dubhouse mit viel Hip-Hop auf. Eines der geheimen Highlights des Festivals!

Auf der Main Stage luden dann Two Door Cinema Club und später Gossip zum Indie-Tanz, wobei Beth Ditto merhmals vergeblich versuchte, eine paar aufgeblasene Bälle ins Publikum zu schießen. Das BLN.FM-Team hat derweil den vor dem geschlossenen Festivalgelände stationierten „Sleepless Floor“ vorgezogen, um das blutjunge Wiener Duo Her Voice over Boys (Foto rechts: Anna) zu entdecken. Im kommenden Frühjahr werden Anna und Paul ihren Album-Einstand auf Oliver Koletzkis Label Stil vor Talent geben. Nur wenige ließen sich später Modeselektor (live) entgehen, die für eine gut besuchte Main Stage und eine ausgelassen tanzende und (wohl auch wegen der großartigen Visuals) beeindruckte Menge sorgten. Die beiden Berliner begannen mit einem Lied ihrer französischen Freunde von TTC und spielten bei ihrer Show natürlich viel vom 2011er-Album „Monkeytown“. „Habt ihr Lust auf eine Kissenschlacht?“ rief Szary ins Publikum, welches natürlich bejahte. Gesagt, getan – auf einmal flogen weiße Kissen und Federn kreuz und quer über die Köpfe.

Sonntag, der 15. Juli

Müdigkeit, Kater, Verdrossenheit? Kennt ein Melt!-Besucher anscheinend nicht. Auch das BLN.FM-Team blieb tapfer im Dienst und machte einen erneuten Abstecher zum „Sleepless Floor“, den die zwei Jungs von Hufschlag & Braun auf der „Total Confusion“-Bühne bespielten. Carlos Hufschlag und Patrick Braun dürften mit 18 Jahren die jüngsten Künstler des Melt! gewesen sein: „Ich bin das erste Mal auf einem Festival“ verriet Carlos gegenüber BLN.FM, der zusammen mit Patrick seinen minimalistisch leichten Sound vorstellte.

Später gesellte sich dann Kompakt-Ikone Matias Aguayo hinzu: Salven an Konfetti, Luftblasen und vor allem Schaum wurden in die Menge abgefeuert und eine knietiefe Schaumschlacht zu Aguayos lebendigem Latino-Techno entstand. Danach übernahmen Superpitcher und Rebolledo alias Pachanga Boys die Bühne, bevor dann das Label Bpitch mit Ellen Allien, Thomas Müller und Kiki bis zum Montagmorgen den „Sleepless Floor“ einnahmen. Auf der Main Stage gab es als Highlight des letzten Abends noch das französische Elektropop-Duo Justice: „Ich bin nur gekommen, um die zu sehen“, schrie ein begeisterter Fan in der Menge. Der in Paris zur Zeit steil gehende Brodinski spielte parallel auf der Nachbarbühne und versuchte, die Kräfte der Besucher ein letztes Mal zu mobilisieren.

Fazit

Musikalisch trösteten die guten Auftritte von The Rapture, Bloc Party und Caribou darüber hinweg, dass es dieses Jahr keinen richtig großen Headliner gab. Auch Sound Pellegrino und die meisten anderen Acts der „Melt!Selektor Stage“, zum Beispiel Shed, Phon.o und Floating Points, waren einfach top. Einzig Rustie und Tobias Thomas wurden wegen Krankheit vermisst. A propos: Die 1,50 € pro Duschgang konnte man sich in diesem Jahr sparen, denn der durchschnittliche Melt!-Camper schien in diesem Jahr sowieso aus ein paar Prozent mehr Wasser zu bestehen als andere Menschen. Nichtsdestotrotz war die Stimmung trotzdem grandios und ausgelassen. Bleibt für das nächste Melt! der Wunsch, den die Festivalmacher schon auf der Anzeigetafel formulierten: „Mehr Sonne bitte“ für 2013!

(Text: Amélie Heldt und Matthias Hummelsiep
Fotos: Hayung von Oepen, Amélie Heldt, Matthias Hummelsiep)