Der Tod wird immer wieder romantisiert. Sei es nun die „noble Gesinnung“, für ein höheres Ziel zu sterben, oder gar die Flucht vor der eigenen deprimierenden Lebensrealität. „Töte mich!“ erzählt die Geschichte der fünfzehnjährigen Adele (Maria Dragus), die mit dem eintönigen und isolierten Landleben auf dem Bauernhof ihrer Eltern im wahrsten Sinne des Wortes todunglücklich ist. Sie möchte sterben. Als sie auf den aus dem Gefängnis entflohenen Timo (Roeland Wiesnekker) trifft, bietet sie ihm einen bizarren Pakt an: Sie hilft ihm bei seiner Flucht. Im Gegenzug dafür soll er sie von einer Klippe stoßen. Diese Zweckgemeinschaft führt sie auf eine Reise und bis nach Marseille.
So dramatisch der Plot klingt, so ruhig erzählt der Film die Geschichte des Duos mit sicherer Kameraführung, die sich vor allem durch malerische Landschaftsaufnahmen auszeichnet. Dabei zeichnet er ein Psychogramm der beiden Außenseiter, die, von ihrer jeweiligen Vergangenheit getrieben, eine seltsame Anziehungskraft aufeinander ausüben. Den Zuschauern bleibt zunächst schleierhaft, was genau vor sich geht. Regisseurin Emily Atefs große Stärke ist es hierbei, die Hintergründe und innere Entwicklung der Charaktere auf der visuellen Ebene zu erzählen. So ist das Publikum gezwungen, sich auf die Figuren einzulassen und ihre Gesten penibel zu interpretieren, um peu à peu mehr über sie zu erfahren.
Diese Stärke offenbart jedoch auch die zentrale Schwäche des Films: Die Dialoge sind auf das Allernötigste beschränkt. Das wird zwar der Verschlossenheit der Charaktere gerecht, aber im Grunde wirken sie beinahe überflüssig. Auch der Plot ist nicht ausbalanciert: Nachdem sich Adele und Timo in einer Art Vater-Tochter-Beziehung angenähert haben, findet zwischen den beiden keine nennenswerte Entwicklung mehr statt. Timos Stelldichein mit einer hilfsbereiten Französin soll da dramaturgisch Abhilfe schaffen, wirkt jedoch komplett deplaziert.
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Trotzdem bietet „Töte Mich!“ immer wieder anrührende Momente, etwa Timos Fürsorge für Adele oder deren Freude beim ungezwungenen Fußballspiel mit arabischen Kindern. Diese Momente offenbaren, dass die beiden scheinbar komplett gegensätzlichen Charaktere durch ihren Durst nach Fürsorge eng miteinander verbunden sind. Insgesamt ist „Töte Mich!“ ein intensives Drama, das dem Publikum viel Empathie abverlangt, aber ohne Kitsch ans Herz geht.
Töte Mich!, Deutschland/Frankreich/Schweiz 2010, Drama, 91 Minuten. Ab dem 5. Juli im Kino unter anderem im
- Babylon Mitte, Rosa-Luxemburg-Straße 30, Berlin-Mitte, U-Bahn: Rosa-Luxemburg-Platz
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