Bis knapp unter die Decke stapeln sich die vielen Kartons in dem kleinen Laden in der Liebigstraße – von hier aus werden sie in die ganze Welt verschickt. Inhalt der Fracht: der „Salzig Sporthocker“ von Michael und Stephan Landschütz. Die Brüder betreiben seit 2009 mitten im Herzen Friedrichhains das Gestaltungsbüro SALZIG Design und haben alle Hände voll zu tun. Denn Sporthockern ist eine neue Funsportart, die sich nicht mehr nur auf Deutschland beschränkt. Ursprünglich in Kiel erfunden, kommt der Sport mit dem Hocker nach Berlin und erobert von hier aus Europa, Australien und Südamerika.
Dass der Hocker nicht nur ein Hocker, sondern ein richtiges Sportgerät ist, stellt Stephan Landschütz beim Besuch in seinem Büro gleich unter Beweis. Das aufwändig gestaltete Sitzgerät wirbelt durch die Luft, knallt auf den Boden, springt wieder nach oben; ein kurzer Handgriff, eine lockere Drehung im Handstand auf dem Sitz, fertig ist die kurze Choreo. Verdammt lässig anzuschauen, aber wie lange dauert es, bis ein blutiger Anfänger die ersten Tricks drauf hat? „Hockern kann wirklich jeder lernen, denn sitzen kann schon mal jeder“ prophezeit Stephan Landschütz und dirigiert mich zu einem quietschgelben Testhocker. „Die ersten 10 Tricks bringen wir meistens in fünf Minuten bei.“
Es folgt die Probe auf‘s Exempel. Erstens: Sitzen. Zweitens: Handwechsel hinterm Rücken. Drei Durchläufe brauche ich, dann sieht das Ganze schon recht flüssig aus. Ich bin wagemutig und probiere auch gleich den ersten Wurf. Gar nicht so schwer! „Die Profis können weit über hundert Moves“, bremst Landschütz meinen Höhenflug. Jährlich treffen sich auf dem Hocktoberfest in Kiel die besten Hockerer und jonglieren, springen, drehen, rutschen, kippeln um den Weltmeistertitel. Ein festes Regelwerk gibt es dabei nicht. Alles von Jonglage über Brakedance und Parcour bis hin zum Skateboarding ist erlaubt. Da der Sport und die Szene noch relativ jung sind, entwickeln sich bestimmte Tricks erst allmählich.
Stephan Landschütz ist nicht nur dreimaliger Weltmeister, sondern auch Erfinder des Sporthockers. Die Idee für das multifunktionale Sitzgerät entwickelte er während seines Studiums als Produkt-Designer, bis am Ende mit seiner Diplomarbeit auch der serienfertige Hocker geboren war. Diesen gibt es mittlerweile in unterschiedlichen Größen, Gewichten und Farben. Selbstklebende Folien mit verschiedenen Grafiken sorgen für ein individuelles Aussehen. Und weil sich der Hocker nicht nur zum Sport machen eignet, sondern auch als Möbelstück einfach schön aussieht, folgte im Mai diesen Jahres prompt die Nominierung für den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland.
Wenn sie nicht gerade Interviewtermine abarbeiten, sind die Brüder Landschütz auf Tour, ihren Sport noch bekannter zu machen. „Turntable-Hockern“ in Freiburg, „Passion Sports Convention“ in Bremen – aber auch in der Hauptstadt konnten Interessierte und Neueinsteiger zuletzt auf dem HockHart Camp die Basics im Hockern lernen. Wer nun Lust hat, das Ganze selbst einmal auszuprobieren: Probetraining für lau gibt’s jeden Mittwoch von 18 bis 20Uhr im Hof23 in der Langhansstraße 23 in Berlin-Weißensee. Viel Spaß dabei – und, wie es unter richtigen Hockerern heißt, „Hock on!“
Das Salzig Sporthocker-Office befindet sich in der Liebigstraße 25, 10247 Berlin.