Damon Albarn muss man nicht mögen, aber er verwaltet seine Karriere nach Blur mit gelassener Rafinesse. Mit den Gorillaz-Avataren aus der Feder von Tank Girl-Autor Jamie Hewlett hat er schon mal ein solides Standbein für’s würdevolle Altern angelegt: Comic-Helden kriegen keine Falten. Mit über allzu harsche Kritik erhabenen Nebenbands wie „The Good, The Bad & The Queen“oder „Rocket Juice & The Moon“ und Gastspielen bei höchst krediblen anderen Acts wie Massive Attack wird die musikalische Kompetenz weiter ausgebaut. Und dann bleibt auch noch Zeit, um den persönlichen Helden seiner Jugend einen dritten Frühling zu bescheren.
Anfang 2012 wurde bei Bobby Womack Darmkrebs diagnostiziert. Im Mai dann die Entwarnung, alles gut, ein krebsfreier Tumor wurde operativ enfernt. So präsentiert sich also nun ein runderneuerter Bobby Womack mit einem neuen Album. Das letzte datiert von 1999, „Back To My Roots“, ein Gospel-Album. Es war fast 13 Jahre still um einen der grössten Soul-Sänger aller Zeiten, ausser Gastauftritten u.a. bei Bootsy Collins und eben Damon Albarn’s Avatar-Projekt Gorillaz. Und Obergorilla Albarn hat nun Womack’s neues Album „The Bravest Man In The Universe“ produziert.
Ja, natürlich erkennt man einige Beats und Pieces der Gorillaz in den durchweg gelungenen Songs. Diese schielen aber nicht auf Radio oder Dancefloor, sondern bieten vor allem Bobby Womack eine ideale Spielwiese für seine außerordentliche Stimme. In Songs wie „Please Forgive my Heart“, „Stupid“ und dem Titelsong brilliert der alte Crooner. Hier und da – wie beispielsweise in „Nothing Can Save Ya“ im Duett mit der großartigen Fatoumata Diawara – wird Womack auf seine alten Tage nochmal durch’s digitale Click-und-Cut-Treatment geschickt, aber das fällt nie effekthascherisch aus, sondern immer emotional passend zu den warmen Soundtracks, in denen sich traditionelle Soul-Instrumentierung und zeitgenössische Electronica entspannt die Hand reichen. Und mit „Deep River“ gibt es auch ein reines Lagerfeuer-Stück, nur mit Akustikgitarre und Bobby Womack, das ganz selbstverständlich ins Bild passt.
Spektakulär fällt natürlich auch das Duett mit Lana del Rey aus, die auf „Dayglo Reflection“ mit ihrer Schlafzimmerstimme fern des Hypes sehr passabel neben Womack bestehen kann. Und wem allein diese Kombination noch nicht nerdig genug ist: das Stück wird von einem Zitat-Sample von Soul-Legende Sam Cooke eingeleitet, der 1964 Bobby Womack kurz vor seinem eigenen Tod entdeckte. Kurz nach Cookes Tod heiratete Womack übrigens pikanterweise dessen junge Witwe Barbara, aber das ist eine andere Geschichte. Mit „Love Is Gonna Lift You Up“ gibt es auch ein eher enttäuschendes, weil allzu oberflächliches Stück, dass die Produzenten aber weise ans Ende des Albums geschoben haben, wenn der großartige Gesamteindruck des Albums schon nicht mehr getrübt werden kann. Ein vermeidbarer Gegentreffer kurz vor Spielende.
Co-Produzent des Albums ist übrigens XL Records-Boss Richard Russell, der vor 2 Jahren mit „I’m New Here“ das letzte Lebenszeichen des mittlerweile verstorbenen Gil Scott-Heron produzierte und veröffentlichte. Und auch auf Bobby Womack’s neuem Album kommt Gil Scott-Heron retrospektiv noch einmal zu Wort („Stupid Introlude“).
Womöglich verfolgte Albarn mit seinen Gorillaz-Kollaborationen auch einen grösseren Masterplan? Vertrauensbildende Massnahmen für seine musikalischen Helden? Seien wir also gespannt, ob es demnächst dann weitere Kollaborationen mit Gorillaz-Kollaboranten geben wird. De la Soul ständen da auf meiner persönlichen Wunschliste ganz oben. „The Bravest Man….“ zeugt jedenfalls davon, daß Damon Albarn zusammen mit Richard Russell auch als Produzent von Legenden eine gute Figur macht.
Viel Musik von „The Bravest Man In The Universe“ gibt’s übrigens auch in der nächsten Episode von „Motherfunk“ zu hören, am 13.Juli um 19:00 Uhr MEZ auf www.BLN.fm
Preview:
[podcast:]http://media.bln.fm/media/audio/previews/bobby_womack_the_bravest_man_in_the_universe_preview.mp3[/podcast]
Tracklist:
- The Bravest Man In The Universe
- Please Forgive My Heart
- Deep River
- Dayglo Reflection (feat. Lana Del Rey)
- Whatever Happened To The Times
- Stupid Introlude (feat. Gil Scott-Heron)
- Stupid
- If There Wasn’t Something There
- Love Is Gonna Lift You Up
- Nothin‘ Can Save Ya (feat. Fatoumata Diawara
- Jubilee (Don’t Let Nobody Turn You Around)
(XL Recordings / Beggars Group Indigo)