So war’s: New Order im Tempodrom, 21.6.2012

New Order / Tempodrom Berlin 21.6.2012 / by: Monique Wüstenhagen / Electronic Beats

Es hat ein bisschen etwas von einem Familienfest, als New Order nach zwei überstandenen Trennungen und fünf Jahren Bühnenabstinenz ihr einziges Deutschlandkonzert im Berliner Tempodrom antreten. Von jung bis alt, von trendy-flippig bis konservativ, das Publikum ist so vielfältig wie deren Bezug zur Band: Die einen sind schon Fans von der Vorgängerband Joy Division gewesen, die anderen haben New Order als innovative Elektro-Popband der 1980er im Kopf, wieder andere haben die Band mit gitarrenlastigen Sound Anfang des Jahrtausends kennengelernt. Diesen unterschiedlichen Erwartungen gerecht zu werden ist eine Herausforderung.

New Order versuchte es mit einer Best Of-Show mit Material aus fast 30 Jahren Bandgeschichte. Den Beginn machte der 1985 in Erinnerung an Ian Curtis aufgenommene epische Instrumentaltrack „Elegia“, dem das rockige „Chrystal“ von 2001 folgte. Es dauerte jedoch einige weitere Songs, bis die anfangs kühle Stimmung umschlug und sich die ersten Leute begeistert mitreißen ließen. Begleitet wurde die Show von Videoprojektionen und einer pompösen Lasershow, deren perfektionistische Umsetzung jedoch nicht die Nachlässigkeiten der Tontechnik wettmachen konnte: Der Sound war oft Brei, die Gitarre zu laut, der Synthie zu leise und die Stimmen oft undeutlich.

Es folgten Hit auf Hit, von denen viele mit zusätzlichen Effekten oder elektronischen Beats aufgepimpt wurden. Diese Bearbeitungen, so auch die Live-Version des oft gecoverten und doch nie erreichten New Order-Songs „Bizarre Love Triangle“, konnten nicht so recht überzeugen. Auch „True Faith“ war live technoider und schneller als das Original. Vielleicht wäre das weniger aufgefallen, wenn nicht auf der Leinwand Ausschnitte aus Philippe Decouflés Video zum Song gezeigt worden wären: die surrealen Gestalten des Originals von 1987 hopsten wegen der beschleunigten Abspielgeschwindigkeit traurig lächerlich über die Leinwand. Dass hingegen New Orders bekanntester Hit „Blue Monday“ ein Höhepunkt des Konzerts war, lag auch daran, dass es einer der wenigen Songs war, der auch im Konzert sehr nah an der Originalfassung blieb.

http://www.dailymotion.com/video/x17q9x_new-order-true-faith_music

Die das Hauptset abschließende  “Trainspotting”-Hymne „Temptation“ gab dem Konzert einen Tick Volksfestcharakter. Die Band forderte zum Mitklatschen auf, das Publikum ließ sich nicht lange bitten und stieg darauf ein. Sofort im Anschluss trat ein Freund der Band vor’s Mikrofon und heizte dem Publikum ein: „Wenn ihr eine Zugabe wollt, müsst ihr ganz laut rufen… Geht das noch lauter?“ War sich die Band der Begeisterung ihrer Fans nicht sicher? Das Publikum kam der Aufforderung jedoch gern nach und wurde mit zwei weiteren Joy Division-Songs belohnt. „Transmission“ war einer der rockigsten Songs des Abends und ließ im Tempodrom tatsächlich für einen kurzen Moment Post Punk-Atmosphäre aufkommen. Und dann folgte der Klassiker „Love Will Tear Us Apart“. Es hätte ein krönender Abschluss des Konzertes werden können. Doch der sonst eher zurückhaltende Sänger Bernhard Sumner nervte mit seinen „Come on“-Rufen, in denen sich seine Stimme zu einem Kreischen überschlug, und nahm so dem Lied seine düstere Schwermütigkeit. Schade!

(Photo: Monique Wüstenhagen/Electronic Beats)

(Text: Ima Johnen mit Agata Waleczek)