Hauschka & Hilary Hahn – Silfra

hauschka & hilary hahn - silfra coverAuf seinen frühen Alben hat sich Hauschka angehört, als wäre er bei Erik Satie in die Schule gegangen. Nur dass es irgendwie langweiliger war als bei Satie. Dann begann er, mit dem präparierten Klavier zu experimentieren. Heute klingt seine Musik so, als hätte er sich gleichermaßen von den reich gedeckten Tischen des klassischen Minimalismus und der zeitgenössischer Film-Musik bedient. Und genau damit ist das Hauptproblem seines neuen Albums „Silfra“ auch benannt.

Hauschkas Musik wirkt, als hätte er einiges aus dem Kanon der klassischen Moderne neu aufgekocht. Sicher ist verfehlt, von Musik permanent Neuerung zu erwarten. Und man würde Volker Bertelmann aka Hauschka auch niemals vorwerfen, dass er kein Innovator ist, wäre da nicht seine Selbststilisierung. Er sagt in einem kürzlich in der taz veröffentlichten Interview, dass er ungern von Romantik spricht, weil man mit dem Begriff meist nur das Sentimentale verbindet: „Romantik ist in ihrem Kern aber eine Epoche voller Widersprüche gewesen, Komponisten waren auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen. Würde man diese Definitionen von Romantik anwenden, so entsprächen sie der Musik auf Silfra durch und durch“. Wer seinen Anspruch so deutlich formuliert, muss erlauben, dass man ihn daran misst.

Auf dem aktuellen Album „Silfra“ hat Bertelmann mit der Violinistin Hilary Hahn zusammen gearbeitet. Sie ist nicht nur als Virtuosin der klassischen Musik bekannt, sondern fiel auch immer wieder durch ihren Wunsch zum musikalischen Grenzgang auf: So war sie zum Beispiel auf einem Album der amerikanischen Rockband „…And You Will Know Us by the Trail of Dead“ zu hören. Jetzt improvisierte sie an mehreren Terminen zusammen mit Hauschka.

Das Resultat ist ein Album, das einige nette Momente hat. Aber es findet sich nichts darunter, das nicht an anderer Stelle klarer, schärfer und nicht zuletzt auch frischer formuliert worden wäre. Man kann sich wahlweise frühe Alben von Steve Reich, Philip Glass oder Michael Nyman anhören. Außerdem natürlich Werke von Erik Satie. Von letzterem eigentlich fast alles für Klavier – eine seiner Partituren hat Satie übrigens auch mit Papier zwischen den Klaviersaiten gespielt. Für solche Experimente ist der bekannteste Vertreter allerdings John Cage, der Satie als maßgeblichen Einfluss nannte. Die Technik an sich ist also nicht neu. Leider verleitet der Ansatz Hauschka in besonderem Maß dazu, sich in der Ausgestaltung des einzelnen Tons zu verlieren. Die Komplexität des kompositorischen Materials kann da leider nicht mithalten.

Über allen Titeln schwebt eine romantische Melancholie; teilweise wird einer hektischen, postmodernen Zerrissenheit Ausdruck gegeben. Das ist alles irgendwie schlüssig und scheinbar modern. Und doch bleibt das Ganze oberflächlich und entpuppt sich bei genauerem Hinhören als Mode-Accessoire. Die Musik wirkt mal wie eine gut gemachte Tapete im Biedermeier-Stil. Manchmal hat man den Eindruck, dass da jemand die Wände in Pastell-Töne getaucht hat. Abstrakt natürlich, aber nicht zu sehr: Es muss ja noch schön bleiben …

Da ist einfach alles viel zu brav geblieben, und das erklärt zugleich, warum es kaum kritische Stimmen gibt, die sich an dem Phänomen reiben. Diese Musik ist die Verwässerung von vielem, was respektierte Hochkultur und zugleich angesagte Referenz in der klassischen Moderne ist. Insofern ist sie prädestiniert für den Konsens. Außerdem wird hier eine bestimmte Klientel ins Visier genommen: Nicht mehr ganz junge Menschen, die jetzt weniger in Clubs gehen, und dafür „anspruchsvolle“ und „ernste“ Musik hören. Allerdings: Das darf nicht antiquiert wirken, sondern muss einen gewissen Hipness-Faktor aufweisen können.

Auf der Suche nach dem Anwendungsbereich für eine Art von Musik, wie Hauschka sie macht, ist das aber der entscheidende Hinweis, denn diese Musik tut etwas, das man durchaus kritisch hinterfragen kann: Sie hilft dabei, nachdenklich auszusehen, ohne dass man es mit dem Nachdenken selbst besonders weit treiben muss.

Das Album kann hier auch direkt kostenlos probegehört werden:

http://soundcloud.com/hahnandhauschka/sets/silfra-1/

 

Tracklist:

  1. Stillness
  2. Bounce Bounce
  3. Clock Winder (Before Stroll)
  4. Adash (Before Clock Winder)
  5. Godot
  6. Krakow
  7. North Atlantic
  8. Draw A Map
  9. Ashes
  10. Sink
  11. Halo of Honey
  12. Rift
  13. Lexington

(Deutsche Grammophon)

kontur für BLN.FM (C) Roman Kern