Jugend, Sex, Drogen… Fotos von Larry Clark, derzeit im C/O Berlin ausgestellt, sind so explizit, dass alle unter 18-jährige „nur in Begleitung“ von Erwachsenen in die Ausstellung können. Die C/O-Webseite zur Ausstellung warnt, dass “Teile der Ausstellung gegen moralisches Empfinden verstoßen könnten”. Mit dem Aufruf zur Vorsicht sichern sich Kuratoren nicht nur ab, sondern sie streuen gleichzeitig ein Lockmittel für die Ausstellung. Denn das Verbotene ist das Reizvolle, das durch den fürsorglichen Hinweis an Erziehungsberechtigte nochmals als provokanter Aufhänger herausgestellt wird.
Einem größeren Publikum dürfte Larry Clark als Filmregisseur bekannt sein, der mit „Kids“ oder „Ken Park“ für Diskussionen sorgte. Die Filme zeigen Minderjährige in ihrem Alltag. Und der besteht bei Larry Clark vor allem aus Rumhängen, Sex und dem Konsum harter Drogen. Das zeigen die meisten Bilder in der Ausstellung der C/O-Gallerie. Die Kamera spart nichts aus, hält immer drauf. An den Fotos wirkt nichts gestellt, sie scheinen eher spontane Schnappschüsse zu sein, ehrlich und direkt bis zur Schmerzgrenze. Einige Fotos wirken morbide und verstören: Eine Schwangere setzt sich die Nadel, ein totes Baby liegt im Sarg. Das sind aber Ausnahmen. Larry Clarks Blick interessiert sich mehr für das, was Medien gern als „Exzess“ bezeichnen und andere als jugendliches „Ausleben“ verniedlichen.
Die im Verlauf von 30 Jahren entstandenen Serien zeigen dabei, wie sich Jugend, ihr Selbstverständnis und der Umgang mit der eigenen Körperlichkeit auffallend gewandelt haben. In der in den 1970ern enstandenen Serie „Tulsa“ wie auch der zehn Jahre später gestarteten Serie „Teenage Lust“ stören sich die Protagonisten genausowenig an ihrem Nacktsein wie daran, Sex kalt und gefühllos zur Schau zu stellen. Drogenkonsum erscheint wie eine gleichgültige Nebensächlichkeit. Die entstehende Verstörung wird durch das im Hausflur gezeigten Video noch verstärkt. Zu sehen ist, wie sich ein junger Mann einen Schuss setzt. zwei Frauen neben ihn unterhalten sich völlig unbeteiligt dazu. Drogenkonsum ist Teil eines belanglosen Alltags. T.C. Boyle hat in seinem Roman „Drop City“ ein entmystifiziertes Bild der Hippiegeneration festgehalten, Larry Clarks Fotos sind das visuelle Pendant dazu.
Jahre später entstanden sind die Bilder der „Los Angeles“-Serie rund um den Teenager Jonathan Velasquez. Bis auf seinen nackten Oberkörper und eine kleine Akt-Bilderserie gibt es wenig nackte Haut. In einem der vier Fotos steht Jonathans Gang mit dem Rücken zum Betrachter an einem Zaun und zeigt die nackten Hintern. Die vermeintliche Provokation zeugt im Vergleich zu der Freizügigkeit der Vorgängergenerationen viel mehr von einer gewissen Scham. Harte Drogen fehlen hier, auch Sex gibt es nicht zu sehen. Dokumentiert die Serie, dass die Teenager braver geworden sind? Oder hat Larry Clark mit dem Alter und dem Ende der eigenen Drogenkarriere den Zugang zur Szene verloren?
Clarks Bilder wirken nie voyeuristisch, auch wenn sie intim einladend sind. Der Betrachter wird Teil der Szene, die ein Teil einer Geschichte ist. Dabei sieht er sich mit seiner Hippie-Elterngeneration konfrontiert oder sieht die eigene Jugendzeit widergespiegelt. Oder er blickt verstört in eine Welt, die er erahnt, vielleicht auch romantisiert hat, die letztendlich alles andere als schön, dafür umso realer und letztendlich menschlich ist.
Im zweiten Stock der Ausstellung sind Collagen Clarks zu sehen. In ihnen spiegelt sich wie auf Wänden von Jugendzimmern Biographien: da kleben neben- und übereinander Eintrittskarten von besuchten Konzerten, Zeitungsausschnitte, selbst gemalte Bildchen, Notizen, Postkarten und Briefe. Die Collagen berichten vom Leben an den unteren Rändern der Gesellschaft, Tabubruch, sozialem Abstieg und Außenseitersein. Unangenehm vertraut wirken diese Wände, weil sie die Unwägbarkeiten des Lebens, die ständige Möglichkeit zu Scheitern, näher bringen als die Serien schwarz-weißen Bilder im Erdgeschoss.
(Text: Ima Johnen und Georg Fischer)
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„Larry Clark“ – noch bis zum 12. August im C/O Berlin im alten Postfuhramt, Oranienburger Str. 35/36, Berlin-Mitte. S-Bahn Oranienburger Straße. Täglich geöffnet von 11 bis 20 Uhr; Eintritt 10 Euro, ermäßigt 5 Euro.