Damon Albarn – Dr Dee

Damon Albarn - Dr. Dee - CoverVon Damon Albarn ist man ja nun schon einiges gewohnt. Ob als Frontmann der Britpoprock-Ikonen Blur, als kreativer Kopf hinter der Cartoonband Gorillaz oder als Mitglied der Gruppe, die das Alternative Rock-Album „The Good, The Bad & The Queen“ aufnahm – Damon Albarn scheint nie zur Ruhe zu kommen (zu wollen). Nachdem er bereits 2008 beim Erstellen des chinesischen Soundtracks zu „Journey to the West“ Theaterluft geschnuppert hat, sollte es nun noch einen Schritt weiter gehen: Albarn schnappte sich den Regisseur Rufus Norris und bastelte seine eigene Oper. „Dr Dee“ heißt das Ergebnis und schon der Plot ist alles andere als gewöhnlich.

Hauptperson ist John Dee, englischer Gelehrter, Berater von Queen Elizabeth I. und vernarrt in Engel. Damit entspricht Dee nicht unbedingt dem typischen Operncharakter – schließlich klingt das alles weder besonders dramatisch, noch glamourös. Aber Damon Albarn wäre ja auch nicht Damon Albarn, wenn er ohne zu mucken die Erwartungen erfüllen würde. Er erzählt keine stringente Geschichte, sondern greift sich einzelne Aspekte aus dem Leben Dees heraus, um diese musikalisch zu thematisieren. „Dr Dee“ ist keineswegs leicht zugänglich, die Kombination aus afrikanischen Klängen, dem Sound elisabethanischer Instrumenten und Albarns Stimme kommt nicht unbedingt unbeschwert daher, doch ein genaueres Hinhören lohnt sich.

Operlaien sollten sich zunächst an einzelne Titel herantasten, bevor sie sich die ganzen 48 Minuten geben. Als Einstieg empfiehlt sich „Apple Carts“, eine gefühlvolle, in der Albumversion von Flötenklängen untermalte, melancholische Folknummer, die auch aus der Feder von Midlake stammen könnte.

Auch „9 Point Star“ könnte dem Durchschnittshörer durchaus gefallen. Mit seinen Claps, E-Gitarren-Einsatz und modernem Blues-Flair fällt es zwar komplett aus dem gesetzten Rahmen, schafft es aber in eineinhalb Minuten tatsächlich so etwas wie Groove zu erzeugen. „Saturn“ bohrt sich sanft mit undefinierbaren Saiten-Blasinstrumentklängen in das Ohr und verbreitet eine gewisse Leichtigkeit. Das war es dann aber auch an leichter Kost. Schwermütige, sakral anmutende Arrangements werden dem Klischee der pseudoelitären E-Musik gerecht – was natürlich nicht heißt, dass diese Stücke schlecht sind. „The Moon Exalted“ lebt in der ersten Hälfte durch seinen Arien-Charakter und die schöne Frauenstimme, um dann in der zweiten Hälfte die Mittelalterschiene einzuschlagen und mit Zithereinsatz zu überzeugen. Dieses Mittelalter-Feeling lässt auch „Temptation Comes In The Afternoon“ aufkommen, Flöten und Glöckchen machen die gedankliche Zeitreise quasi unabdingbar. Unerwartete Afrika-Assoziationen wie bei „Preparation“ machen das Chaos letztendlich irgendwie perfekt unperfekt.

„Dr Dee“ funktioniert nicht wie ein klassisches Album. Es wirkt vielmehr wie ein Hörbuch ohne Handlung, ein Folkpop-Wissenschaftler-Oper-Konstrukt. Überrascht es, dass so etwas ausgerechnet von Workaholic Damon Albarn kommt? Natürlich nicht. Den Hang zum Düsteren hat man bereits schon zu Gorillaz-Zeiten verspürt (wenn man mal über die Chartshits hinaus einen Blick in das Werk geworfen hat) und Ideenlosigkeit konnte man dem Briten auch noch nie vorwerfen. Deshalb ist auch „Dr Dee“ es wert, angehört zu werden. Und zwar nicht nur einmal, sondern, zweimal, dreimal, viele Male. Dass es keine Musik ist, die man mal eben zwischen zwei Partys konsumiert, ist klar. Dass der Mensch aber manchmal genau das braucht, ebenso.

Preview:

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Tracklist:

  1. The Golden Dawn
  2. Apple Carts
  3. O Spirit, Animate Us
  4. The Moon Exalted
  5. A Man Of England
  6. Saturn
  7. Coronation
  8. The Marvelous Dream
  9. A Prayer
  10. Edward Kelley
  11. Preparation
  12. 9 Point Star
  13. Temptation Comes In The Afternoon
  14. Watching The Fire That Waltzed Away
  15. Moon (Interlude)
  16. Cathedrals
  17. Tree Of Beauty
  18. The Dancing King

(Parlophone / EMI)