Sebastien Tellier – My God Is Blue

Sebastien Tellier - My God Is Blue - CoverNach seiner pornösen und mit lüsternden 80er-Jahre-Synthies verklebten Platte „Sexuality“ von 2008 ruft Sebastien Tellier im Sommer 2012 spirituelle Kräfte herbei. Mit seiner aktuellen Platte „My God Is Blue“ (VÖ: 8.6.) hat er wieder Großes vor. Die Farbe Blau hat es ihm dabei besonders angetan!

Die originelle Themenwahl kommt nicht von ungefähr. Tellier mag es gerne unbeständig und möchte seine Fans auch jedes Mal mit etwas Neuem überraschen. Und so wechselt er vor jedem neuen Schaffensprozess gerne Wohnung, Auto und sein Outfit, wie er in einem Interview mit Off TV (in frz.) erklärte. Nur in seine Freundin sei er so verliebt, dass er sie dieses Mal nicht auswechseln möchte. Ob man seiner Botschaft zum neuen Werk nun Folge leisten mag oder nicht, verlockend klingen die Worte schon: „Höre nicht meiner Platte zu, höre auf meine Botschaft, schwinge zu meiner Musik, lass unsere Träume sich verschmelzen und unsere Energien sich ergießen in einer gigantischen, blauen Welle, die die Welt flutet – dann wird die Wahrheit ans Licht kommen.“ In Ordnung, wird gemacht!

Sein zwölfteiliges Opus Dei wird eröffnet durch das chorale „Pépito Bleu“, welches einen ersten Eindruck auf das selbstironisch göttliche wie schlicht gut komponierte Album liefert. Es folgt der schwebend, wummernde Sound von „The Colour of your mind“ und wir erinnern uns an die oben genannte Botschaft Telliers. Zum saftigen, groovenden Pop im gemächlichen Tempo lässt es sich auch bei „Sedulous“ sehr gut dahinschwelgen. Abwechselnd orchestrale Schübe, ein wenig Reggae – man surft am besten liegend durch diese hippiemäßigen, mal kitschigen bis romantisch angehauchten Klangwellen.

Das verrucht tanzbare „Cochon Ville“ erschien als Single bereits im April 2012, das Video dazu sorgte schon da für reichlich Spucke im Mund: Zu sehen gibt’s ein discoides Rudelbumsen mit schönen nackten Leibern und Fetischisten, die sich dem Flötespielen, Füße lecken und dem lasziven Tanz hingeben. Ein wahrer Hörgucker!

Telliers Stimme, seine Gitarre und kleinere Effekte prägen anfangs das melancholische „Magical Hurricane“. Am Ende weichen der einsame Gesang und die Gitarre, eine sich anschleichende Orgel wird lauter, drückt das vorher nüchterne Klangbett in eine schwebende Sphäre, es endet spirituell-schwebend – die Religion Tellier! Das poppige aber ideenlose Folgestück „Russian Attractions“ holt den Zuhörer jedoch schnell wieder auf den Boden zurück und das ist schade. Auch „My Poseidon“ wirkt wie ein Lückenfüller und kann nicht an die träumerische Idee des Albums anschließen. „Against The Law“ ist erneut ein Lichtblick auf dem Album! Das von dramatischen Dur/Moll-Harmonien durchzogene Monstrum wehrt sich buchstäblich gegen Gesetze, spielt mit den Klanfarben und die blaue Welle steigt abermals auf. „Yes, it’s possible“ scheppert sich mit Orgel, hämmernden Beats und einer ausrastenden E-Gitarre im 1980er Jahre-Gewand zum Finale des Albums.

Wie schon sein Debütalbum „L’Incroyable Vérité“ (2001) und „Politics“ (2004) erscheint auch „The God Is Blue“ auf Record Makers, das Label seiner künstlerischen Geburtshelfer Nicolas Godin & Jean-Benoît Dunckel von Air, die ihn anfangs als Vorband mit auf Tour nahmen. Im Gegensatz zu Air war Sebastien Tellier allerdings noch nicht oft in Berlin. Nur allzu kurzweilig währte sein letzter Berliner Auftritt im Schaufenster der Coma-Galerie in Berlin, als 200 Leute von der Straße aus seinem Gratiskonzert zuschauten, die daraufhin von der Polizei geräumt wurde. Ob Sebastien Tellier bald ein richtiges Konzert in Berlin spielen wird, wir wollen es hoffen! Merci beaucoup Monsieur Tellier, dass du uns an deinen phantasievollen Ergüssen und großartiger Musik teilhaben lässt!

Preview:

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Tracklist:

  1. Pepito Bleu
  2. The Colour of Your Mind
  3. Sedulous
  4. Cochon Ville
  5. Magical Hurricane
  6. Russian Attractions
  7. Mayday
  8. Draw Your World
  9. My Poseidon
  10. Against the Law
  11. My God Is Blue
  12. Yes It’s Possible

(Record Makers)