Treptopolis – Neuanfang für einen Tacheles-Mitbegründer

„Verräter“ – so beschimpften die ehemaligen Tacheles-Genossen Kemal Cantürk als er vor einem Jahr beschloss, die Abfindungszahlung der Tacheles-Eigentümer HSH Nordbank anzunehmen. Mit der Summe von 100.000 € könne man doch sicher etwas Neues aufbauen, hoffte er damals, und so den ewigen Streitereien der Künstlerruine entfliehen. Seitdem verwirklicht Cemal am Baumschulenweg in Berlin-Treptow seine Vision eines neuen Kunsthauses: das Treptopolis. Auf einer Fläche von 1200 m² entstanden in einem ehemaligen Supermarkt ein großer Tanz- und Aufführungssaal mit Bar und Bühne, mehrere Werkstätten und eine Strandbar im Garten, die seit 26. Mai geöffnet hat.

Wie auch schon im Tacheles will Kemal Kunst für die Allgemeinheit zugänglich machen und gleichzeitig Nachbarn aus dem Kiez einbinden. In den letzten Jahren hat das im Tacheles nicht mehr so richtig geklappt, die Künstlergemeinschaft war nicht nur mit dem Eigentümer zerstritten, sondern hatte auch intern Kontroversen. Vor einem Jahr hatte Kemal den ganzen Ärger um das legendäre Kunsthaus in Berlin-Mitte satt und räumte gegen eine Abfindung der Eigentümer seine Werkstatt und die Gallerie in der Oranienburger Straße. Im Mai 2011 fand er mit Hilfe eines Bekannten einen verlassenen Supermarkt in der Rinkartstraße 18, Berlin-Treptow. Bis dahin dachter der Kreuzberger, der Baumschulenweg „wäre ja so weit außerhalb von Berlin“. Als er die Lagerhalle entdeckte, waren die Vorbehalte verschwunden.

Ein Jahr lang wurde das Gebäude, in dem weder Heizung noch WC vorhanden waren, umgebaut, renoviert und dekoriert. Kemal und seine Helfer ersetzten die eingeschlagenen Fenster und trugen den Müll weg, der sich in den 15 Jahren Leerstand angesammelt hatte. Schon lange galt das Grundstück als „Schandfleck“ des Viertels. Der irische Investor, dem das Gelände gehört, ließ es verwahrlosen. „Hier war keine Entwicklung in Sicht“, erinnert sich Andy Jauch, Bezirksabgeordneter (SPD). Als die neuen Mieter einzogen „haben die Leute schon komisch geguckt“ erzählt Cindy Reichert vom Bürgerverein Baumschulenweg. Doch die Skepsis der Nachbarn, überwiegend Rentner und Familien, wich bald der Neugier und der Freude über den Wandel. Eine Nachbarin kümmert sich ehrenamtlich um den Garten, Jungs aus der Nachbarschaft bemalten die Wände. Schnell nahm Kemal Kontakt mit dem hiesigen Bürgerverein auf und kann auf die Fürsprache des Bezirks setzen. Vielleicht könnte es später finanzielle Hilfe geben, „als Pilotprojekt für die lokale kulturelle Szene hat das Treptopolis große Chancen.“ sagt Andy. Zur Zeit kommt Kemal noch mit der Tacheles-Auszahlung über die Runden. Aber für Treptopolis hat Kemal einige Pläne, deren Verwirklichung zusätzliches Geld benötigen.

Kemals Motto „Kommt und macht selbst!“ hat so manch einen angesprochen. Man sieht Kemal an, dass er nicht mehr die Verrücktheit seiner jungen Hausbesetzerjahre sucht. Er möchte, dass hier ein intergenerationelles Projekt entsteht, für „die Kleenen“ soll es ein Theaterfestival geben, Herangewachsene können sich in der Bar auf Parties mit DJs amüsieren. Sobald das Programm und der Betrieb einigermaßen laufen, will sich Kemal zur Abwechslung wieder seiner eigentlichen Kunst widmen: Metallskulpturen. „Hier wird die größte Skulpturengallerie Berlins entstehen“. Dann will Kemal auch das Grundstück kaufen, um es einer Treptopolis-Stiftung zu übereignen. Denn Treptopolis soll auch weiterleben, wenn es ihn nicht mehr geben sollte. Bis dahin hält sich der 61-Jährige mit „der reinigenden Kraft des Joghurts und viel Bier“ fit.

Kunsthaus Treptopolis, Rinkartstraße 18 – Berlin-Treptow, Bahnhof Baumschulenweg – www.treptopolis.de


http://soundcloud.com/bln-fm-im-fokus/im-fokus-treptopolis