Anton Corbijn ist eine Legende in der Musik-, Kunst- und Modewelt. Als Fotograf hatte er schon so ziemlich jeden berühmten Menschen vor der Kamera. Auch hat er über Jahre hinweg den visuellen Output zahlreicher Bands und Musiker wie Depeche Mode, U2, Bruce Springsteen, R.E.M. und den Rolling Stones durch das Gestalten von Albumcovern maßgeblich beeinflusst. Als Regisseur drehte er Musikvideos für die Red Hot Chili Peppers, Joni Mitchell, Coldplay, eines der letzten Nirvana-Videos und zuletzt das hochgelobte Biopic über Joy Division’s Sänger Ian Curtis „Control“. In der Galerie Camera Work kann man noch bis zum 9. Juni eine Auswahl der Fotografien des Künstlers begutachten. In seiner „Inwards and Onwards“ titulierten Ausstellung gibt es über 20 Porträts von, wer hätte es gedacht, bedeutenden Persönlichkeiten zu sehen. Die Fotografien sind allesamt schwarz-weiß und in dunklen 125×125 cm großen dunklen Holzrahmen präsentiert. Das Thema, wie so oft bei Foto-Ausstellungen über Berühmtheiten, ist der Blick des Fotografen hinter die Fassade, der Versuch, eine Aussage über das Wesen der Portraitierten zu machen. Anton Corbijn spielt mit diesem Thema: Teilweise verspielt, teilweise dramatisch und auch manchmal ironisch kommen die Porträts daher. Mick Jagger ist mit viel Schminke, Ohrringen und Halskette als Transvestit zu sehen, der Künstler-Star Jeff Koons ist mit einer seiner ballonartigen Skulpturen vor dem Kopf aufgenommen worden, Kate Moss wirkt trotz ihrer venezianischen Maske zugänglicher als auf ihren vielen Modefotos. Die Abzüge kosten jeweils 17.900 € und sind jeweils in sechs Auflagen vorhanden. Von dem Gerhard-Richter-Porträt gingen auf Wunsch Corbijns fünf der sechs Bilder an Museen, deswegen kostete das einzige zum Verkauf stehende auch 29.800 €. Das Bild Richters ist übrigens das einzige Porträt in der Ausstellung, auf dem das Gesicht des Porträtierten nicht zu sehen ist. Man sieht den Künstler von der Kamera abgewandt auf einem Drehstuhl vor einem seiner Bilder sitzend.
Die Bilder haben durch ihren kontrastreichen Schwarz-Weiß-Effekt eine majestätische Wirkung, obwohl sie teilweise sehr verspielt arrangiert sind: Iggy Pop kriecht nackt bis auf die Stiefel auf einer Waldlichtung umher, das Londoner Künstlerpaar Gilbert & George reicht sich Kaffeetassen vor der biblischen Inschrift: „If Any Man Is Thirsty, Let Him Come To Me And Drink“. So geht die illustre Berühmtheitensammlung weiter, alle sind an besonderen Orten (Lance Armstrongs Kopf ist in einem Pool zu sehen) oder mit absonderlichen Objekten (Peter Blake auf dem Hals einer kopflosen Schaufenster-Puppe) dargestellt. Auch wenn es Anton Corbijn nicht immer gelingt, die Persönlichkeiten der abgebildeten Personen in seinen Fotografien mit psychologischer Präzision wiederzuspiegeln, sind alle Bilder spektakulär anzusehen und überzeugen durch ihre klare, reine Ästhetik. Auch Paul McCartney ist in Corbijns Sammlung zu sehen. Er hängt jedoch nur im Treppenhaus, was vermutlich daran liegt, dass er vor einer einfachen Wand fotografiert wurde, mit einem simplen Schnurrbart, also einfach nicht spektakulär genug inmitten Anton Corbijns verschrobener Bildwelt.
Anton Corbijn „Inwards and Onwards“, Fotokunstausstellung, bis zum 9. Juni Dienstags bis Samstags von 11-19 Uhr, Eintritt frei, Galerie Camera Work, Kantstraße 149, Berlin-Charlottenburg, S5, 7, 75, 9, M49, X34 bis Bahnhof Savignyplatz