Bulb Fiction

Das Verbot der Glühlampe – eine große Verschwörung? Lobbyismus und Profilierungssucht statt wissenschaftlicher Diskurs und Umweltschutz? Diese Fragen versucht der Regisseur Christoph Mayr zu klären. In seinem Dokumentarfilm „Bulb Fiction“ beschäftigt sich Christoph Mayr mit dem “Zwang” zur Energiesparleuchte.

Hintergrund ist eine EU-Verordnung von 2009, die die Energieeffizienz von Leuchtmitteln (Glühlampen, ESLs, LEDs etc.) regelt. Während die Verordnung den Verkauf von Glühlampen nicht explizit verbietet, setzt sie doch strenge Grenzen für deren Energieeffizienz. An den Verkaufsregalen ergibt dies freilich kaum einen Unterschied. Anfangs schien die Energiesparleuchte sowas wie die eierlegende Wollmilchsau des Umweltschutzes zu sein. Wer sie nutzt spart Strom und Energie und das für einen geringen Aufpreis bei gesteigerter Lampenlebensdauer und ohne seinen Lebensstil einschränken zu müssen. Die Schattenseite zeigt ein Produkt, welches nur über den Sondermüll entsorgt werden kann und giftiges Quecksilber freisetzt, sollte es beschädigt werden. Kritiker, zu denen auch Christoph Mayr gehört, bemängeln daher, dass das Einsparpotential der Energiesparleuchten ihre Risiken für Umwelt und Gesundheit nicht aufwiegt.


„Bulb Fiction“ ist ein Film gegen die Energiesparleuchte. Dabei schießt Christoph Mayr teilweise über das Ziel „kritischer Aufklärung“ hinaus. Zum Beispiel vermittelt die Geschichte vom Phoebuskartell, einem Geheimpakt aus den 1920er Jahren, in dem die großen Lampenhersteller die Lebensdauer von Glühlampen festlegten, einen diffusen Eindruck von Verschwörungstheorie, der kaum etwas mit der Situation in 2012 zu tun hat. Der Hinweis auf den Erfinder der 150 000-Stunden Lampe Dieter Binninger, der Anfang der 90er kurz vor der Massenproduktion seiner Erfindung bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommt, schlägt in dieselbe Kerbe. Die Geschichte eines vierjährigen Kindes, das, nachdem in seinem Schlafzimmer eine Energiesparleuchte zu Bruch gegangen ist, alle seine Haare verliert und an Zitterschüben und Depressionen leidet, drückt zu sehr auf die Tränendrüse und erinnert an Boulevardjournalismus à la Markus Lanz.

Anregend und entlarvend wird Mayrs Dokumentation, wenn er Entscheidungsträger und Unterstützer der EU-Verordnung interviewt. Der amtierende EU-Kommissar für Energie, Günter Oettinger, und dessen Vorgänger Andris Piebalgs spielen eine alte „Asterix und Obelix“-Posse nach: Oettinger gibt kein Interview, weil damals noch nicht zuständig, Piebalgs gibt keines, weil heute nicht mehr zuständig. Dem ungleich kompetenter erscheinenden EU-Beamten Andras Toth wird einen Maulkorb verpasst. Er darf nur über die Pressesprecherin mit dem Filmemacher kommunizieren. Eine Greenpeace-Aktivisten gibt nach mehreren bohrenden Fragen schließlich auf und antwortet entwaffnend, sie glaube aber, dass die Energiesparleuchte der richtige Weg sei. Der Zuschauer schwankt währenddessen zwischen Besorgnis und Übelkeit.

„Bulb Fiction“ regt zum Nachdenken an. Die Interviews legen nahe, dass vielerorts entweder der Glaube an das Wunderding Technik oder aber massive Lobbyarbeit zum Glühlampenverbot führte. Wissenschaftliche Forschungsarbeit scheint nicht in den Entscheidungsprozess eingeflossen zu sein. Dem Kinogänger geht es kaum besser als den gläubigen oder manipulierten Politikern. Kaum einer wird alle Fakten der Doku nachprüfen und muss letztlich auf Christoph Mayrs Recherchen vertrauen. So wankt der Zuschauer nach rund 90 Minuten zwischen Verschwörungstheorie und fundiertem Unwissen. Die Wahrheit bleibt wie so häufig Vertrauenssache, aber eines steht fest: Wer „Bulb Fiction“ gesehen hat, wird bewusster zwischen Energiesparleuchte und deren Alternativen abwägen, statt blind darauf zu vertrauen, was Hersteller und Politiker empfehlen.

Bulb Fiction„, Dokumentation, Österreich 2011, ab 31.05.2012 in den Kinos