Actress – R.I.P

Musik, die sich mit Musik beschäftigt,  kann bisweilen unangenehm verschlossen klingen. Darren Cunningham alias Actress macht zwar auch Musik, die sich mit Musik beschäftigt, aber er schafft es angenehmerweise, das Ergebnis als „cooles Wissen“ zu präsentieren, nicht als zunehmend seltsames Geschwurbel. So bleibt in der digitalen Klangwelt viel Raum für den Hörer selbst. Zum Nachdenken oder so. Das ist angenehm.

„R.I.P“ ist die dritte Platte des Typen aus East London, der eigentlich eine Karriere als Fußballer anstrebte, diese Pläne aber im Alter von 19 Jahren aufgrund einer Verletzung verwerfen musste. 2008 erschien sein Debut „Hazyville“ und 2010 der Nachfolger „Splazsh“, der ihm zu einiger Bekanntheit verhalf. Die Alben waren stark vom düsteren Londoner Bass-Sound geprägt und verhüllten so Erinnerungen an große Techno-Städte, allen voran Detroit, aber eben auch ganz andere, afrikanische Musiklandschaften. Auf „R.I.P“ hat sich dieser kühle Londoner Nebelschleier etwas aufgelöst und macht die Sicht frei für eine schematische Draufsicht auf das Netz aus Einflüssen und Anspielungen.

Die Songs sind grundsätzlich sehr minimalistisch. Gerade einmal die Hälfte der Songs hat überhaupt einen Beat im üblichen Sinne, aber trotzdem pulsiert und vibriert hier alles aus sich selbst heraus und Cunningham zeigt ziemlich eindrucksvoll, warum das „Drumherum“ eines House-Tracks mindestens so stark treibt wie der Beat selbst. Diese peripheren Elemente transportieren genau das, was die Platte dann eben techno-esk werden lässt. Ganze Rauschfahnen pulsieren subtil im Hintergrund, in denen sich bruchstückhafte Erinnerungen an lange vergangene Nächte in dunklen Deep-House-Kellern niederschlagen, in steter Veränderung, aber doch mit demselben Inhalt.

Beim Durchhören der Platte bekommt jedes musikalische Extrem sein Gegenstück. „Shadows from Tartarus“ ist ein beeindruckendes Bassmonster, welches einen richtig harten Drive entwickelt. Im Kontrast dazu steht das verhaltene, geradezu charmante Klavierstück „Jardin“, welches schon in sich zerrissen wird von summenden Insektenklängen, die irgendwo über den Köpfen kreisen. So wird auch dem ruhigen und geradezu verhaltenen Anfang des Albums mit dem recht fulminanten und sehr clubtauglichen „Iwaad“ als letzter Track begegnet. Die Tracks auf „R.I.P“ wirken zunächst wie zufällig angeordnet, ergeben aber genau jene Form, die jedes Detail unvermutet und genau so, wie es ist, mit dem Ganzen verzahnt präsentieren.

Dass so eine Interpretation nicht komplett zufällig zustande kommt, könnte man durchaus an den Begleitumständen der Entstehung von R.I.P. erkennen. In einem Interview meinte Cunningham, dass er extrem konzentriert und ausdauernd an dem Album gearbeitet habe und als Inspiration unter anderem die Lektüre des englischen Philosophen John Milton heranzog. Außerdem sei er etwas seltener stoned gewesen als bei seinen bisherigen Arbeiten. Man könnte daher auf einen aufklärerischen Geist schließen, der „R.I.P“ innewohnt. Doch geht es hier nicht so sehr um die Analyse der immer kleineren Details dieser Welt, sondern eher darum, die bloß scheinbare Vernunft und Ordnung in der Welt darzustellen. Diese Art von Ideenpotenzial wohnt auch R.I.P. inne und verteilt sich so bei jedem Hören immer neu im Gehirn, ohne dabei rechthaberisch zu sein. Well Done!

Preview:

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Tracklist:

  1. R.I.P.
  2. Ascending
  3. Holy Water
  4. Marble Plexus
  5. Uriel’s Black Harp
  6. Jardin
  7. Serpent
  8. Shadow From Tartarus
  9. Tree Of Knowledge
  10. Raven
  11. Glint
  12. Caves Of Paradise
  13. The Lord’s Graffiti
  14. IWAAD
  15. N.E.W.

(Honest John’s/Indigo)