Ein Ort ganz im Stil Berlins: Heruntergekommen und besprüht bietet der Teufelsberg Besuchern für umme einen Blick über die ganze Stadt. Seit Jahren treffen an der ehemaligen US-Abhörstation Spaziergänger und Verliebte auf Sprayer und Fotografen, die das alte Gebäude als abgelegenen Freiraum erleben. Am Anfang klettern alle durch einen Zaun, niemand fragt nach dem Grund des Kommens. Ein ahnungsloser Besuch an einem sonnigen Sonntag aber macht klar: Hier ändert sich einiges, und das ganz gewaltig. Denn an Wochenenden werden Führungen angeboten und Eintritt verlangt. Und das könnte erst der Anfang einer noch weiteren Umgestaltung des Geländes sein.
Wie an allen anderen Tagen steigen die Besucher auch am Wochenende lässig durch den Zaun. Auf der anderen Seite aber wartet schon ein spürbar schadenfroher Touristenführer: 15 Euro für eine Führung oder 5 Euro für den einfachen Eintritt verlangt er – pro Person versteht sich. Falls die Besucher nicht zahlen wollen, droht er sofort mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruchs oder mit einem Rauswurf durch die Security. Denn auch wenn der Teufelsberg verlassen aussieht, herrenlos ist er nicht.
Mit 115 Metern Höhe ist der Teufelsberg der zweithöchste Berg Berlins und besteht aus Trümmerschutt. Die Amerikaner errichteten hier im Kontext des Kalten Krieges eine Abhörstation, die erst militärischen, dann zivilen Zwecken diente. Seit 1999 ist die Anlage unbenutzt. Bereits ein Jahr zuvor verkaufte der Berliner Senat das Gelände an Kölner Investoren, die den Teufelsberg in eine riesige Luxus-Hotel-Anlage mit Spionagemuseum umwandeln wollten. Von der Idee blieben jedoch nur Luftschlösser übrig – wie auch von den Plänen der Maharishi-Friedensstiftung. Die Anhänger der Transzendentalen Meditation, eine Yogi-Glaubensgemeinschaft die schon John Lennon und David Lynch begeisterte, wollten hier 2007 eine Universität mit einem „Turm der Unbesiegbarkeit“ bauen. Lynch hat sogar persönlich in den Grundstein des Turmes investiert. Doch auch dieses abgehobene Projekt wurde nicht weiter verfolgt. Eigentümerin ist deshalb weiterhin die Kölner IGTB GmbH & Co. Investorengemeinschaft Teufelsberg KG, und stellvertretend für sie stellte Architekt Hartmut Gruhl bei Stadtentwicklungsstaatssekretär Ephraim Gothe und Stadtentwicklungsstadtrat Marc Schulte Ende März ein neues Nutzungskonzept für das Grundstück im Grunewald vor. Gemäß der Darstellung des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf plant Gruhl ein Ausflugslokal, Veranstaltungsräume, ein historisches Museum und einen Elektroshuttlebus. Auf BLN.FM-Anfrage stand Gruhl momentan für ein Gespräch zu den Plänen nicht zur Verfügung.
Auch der Versuch, den Touristenführern am Teufelsberg ein paar informative Antworten zu entlocken, scheitert. Einer erzählt nur, dass hier am Tag zuvor ein Video für DSDS gedreht wurde, dass „so ’ne Electro-Openairs“ geplant sind und „dass der Eigentümer viel Geld in den Sand gesetzt hat, das er sich jetzt zurückholt.“ Eine Möglichkeit dazu scheinen seit rund eineinhalb Jahren die Führungen zu sein. Durchgeführt werden sie von der Agentur „Brandinavia„, deren Geschäftsführer Niklas Mascher auch den Club im „Stadt.Land.Fluss“ am Prenzlauer Berg mitgestaltet. Auch wir zahlen den Eintritt und unterschreiben einen Haftungsausschluss, dann öffnet sich der Weg.
Vorbei an zwei Autos der oberen Preisliga geht es zum Turm. Tatsächlich wird der Eingang scharf bewacht – von einem Herrn, mit dem man sich wirklich nicht anlegen möchte. Alle, die nicht belegen können, bezahlt zu haben, werden des Geländes verwiesen. Kurz darauf durchziehen große Gruppen vom Typ „Museumsinsel-Besucher“ mit XL-Kamera und Marco Polo-Führer die getaggten Hallen. Der Grund für den Andrang ist leicht erklärbar: hier finden die Touristen noch einen angeblich typischen Berliner Ort, „so alternativ, so trashy“. Von den Sprayern ist um diese Zeit keine Spur zu sehen. Manche Wände sehen frisch besprüht aus. Aber wie lange haben Street-Art-Künstler hier noch Zutritt?
Ob und wann die Eigentümer ihre Planungen umsetzen und den Teufelsberg kommerziell nutzen können, ist noch unklar. Eins scheint aber sicher: das Potential des Teufelsberg ist mit dem Tourismus-Boom stark gestiegen und könnte für die Beteiligten sehr profitabel werden. Möglicherweise werden sie dann diejenigen zurückholen müssen, die derzeit heimlich ins Gelände eindringen, um Graffitideko und Atmosphäre „authentisch“ zu erhalten.