Halls – Fragile

Halls-Fragile-CoverDass sich das Musikgeschäft innerhalb weniger Jahre entschieden verändert hat, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Angehende Künstler müssen weder ein Instrument beherrschen, noch ein Tonstudio mieten, um Songs aufzunehmen. Jeder, der einen Computer und die entsprechende Software besitzt, kann im Wohnzimmer produzieren und dank Anbieter wie Bandcamp oder Soundcloud darauf hoffen, zu großer Bekanntheit zu gelangen. Auch der Brite Samuel Howard konnte auf diesem Wege auf sich aufmerksam machen. Unter dem Namen „Halls“ veröffentlicht er seit 2010 Tracks, die zwischen Lo-Fi und Electronica pendeln. Waren die ersten beiden EPs nur Insidern bekannt, so scheint Howard nun mit „Fragile“ ein breites Publikum zu begeistern.

Um es vorwegzunehmen: Es gibt keinen passenderen Titel für dieses Werk als „Fragile“. Alle Titel wirken so sorgfältig ausgearbeitet, dass jede Veränderung die Songs vermutlich zum einstürzen brächte. „Sanctuary” bildet den angenehm schwerelosen Einstieg: Die zwei vom streicherähnlichen  Synthesizer gespielten Akkorde klingen in Verbindung mit dem entfernten Gesang wie eine Überfahrt aus den Wogen der Tiefe in das Überirdische. Zu ergreifen vermag man es nicht, ist man doch im besten Fall in einer paralysierenden Traumwelt gelandet.

Das irrsinnige wie geniale Trippeln des Klaviers in „Lifeblood“ ist ein erstes Zeugnis der großen Fähigkeiten des Samuel Howard. Sowohl der klagende, fast lebensmüde Gesang, als auch die komplexen Rhythmen erinnern an Thom Yorke und jüngere Radiohead-Alben. Dass der Vergleich definitiv nicht zu hoch gegriffen ist, wird auch im folgenden Track deutlich. Erneut gibt Howard nur Fragmente der Gedanken preis, die dem hoffnungslos Verliebten den Schlaf rauben. Trotz der murmelnden, gar schüchternen Stimme bewirkt der Song „I am not Who you Want“ eine Ergriffenheit, die den Hörer verzaubert, ob der düsteren Gedanken gleichwohl erschaudern lässt.

Halls gelingt es, bei aller Melancholie und Ernüchterung, eine gewisse Standhaftigkeit und Größe in den Liedern zu bewahren. Der Protagonist liegt am Boden, aber Aufgeben kommt nicht in Frage. Der Verzicht auf Selbstmitleid ist der Grund, weshalb Halls einige Ligen über den übrigen „Bedroom Producers“ einzuordnen ist.

Dass der abschließende Song „Fade to White“ dieses Niveau nicht halten kann, ist da nur ein kleiner Makel. Was bleibt, sind vor allem die Titel, die so grandios, so traurig schön sind, dass unzählige namhafte Künstler an dem Versuch zu Grunde gingen, ähnlich Berührendes zu komponieren. Und deshalb gehört dieses kleine – nur 15 minütige Werk – zu dem Erstaunlichsten, was man in diesem Jahr bislang erleben durfte.

Preview:

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Tracklist:

  1. Sanctuary
  2. Lifeblood
  3. I Am Not Who You Want
  4. Fade to White