Das Selbstmach-Prinzip hat Konjunktur. Egal, ob es um klassisches Heimwerken mit Hammer, Säge und Bohrmaschine geht, um Nähen, Backen, Fotografieren, Malen oder um das Schreiben im Netz: Selbermachen und Mitmachen ist derzeit omnipräsentes Phänomen. Die Ausstellung „DIY – Die Mitmach-Revolution“ im Museum für Kommunikation zeigt, dass das Do-it-yourself eine lange Geschichte hat – und macht deutlich, dass es dabei vor allem auch um eines geht: um die Suche nach Authentizität.
Dieser Aspekt tritt besonders bei den Gegenkulturen der 1970er- und 1980er-Jahre hervor, denen in der Ausstellung ein ganzer Raum gewidmet ist. Mit selbstgestrickten Pullovern oder stickerübersäten Lederjacken setzte sich die Hippie- und Punkbewegung bewusst ab von der industriell produzierten Mode des Mainstream, die jede Individualität nivelliert. Selbstgemachte Kleidung und Accessoires, Zeitschriften, Radiosender und eigens gedichtete Lieder waren Kampfinstrumente und Symbole zugleich, die im Protest gegen soziale und ökonomische Zwänge eingesetzt wurden.
Prominentestes DIY-Objekt ist der Button, der vor allem mit dem Anti-Atom-Symbol der roten Sonne auf gelbem Grund international bekannt wurde. Man schätzt, dass das Motiv, das aus dem Jahre 1975 stammt und von einer dänischen Bürgerinitiative gegen Kernkraft in Århus entwickelt wurde, 20 bis 30 Millionen mal und in mehr als 40 Ländern verbreitet ist.
Ebenfalls in dieser Zeit lagen die ersten Gründungen von Piratensendern, welche die wichtigsten Sprachrohre der Gegenöffentlichkeit waren. Die Ausstellung zeigt diverse Orignial-Tapes des berühmten „Telefonradio X“, das 1987 in Frankfurt am Main mit dem Versprechen „Jeden Tag ein neues Tape“ on air ging. Frankfurter Künstler, DJs und Radiofans haben über einen Anrufbeantworter jeden Tag ein neues Programm zum Abrufen bzw. zum Anrufen bereitgestellt. Später ist der Sender dann mit fester UKW-Frequenz zum immer noch existenten Bürgerradio „Radio X“ geworden.
Heute ist das Do-it-yourself vor allem in Form des „Guerilla Gardening“ oder Guerilla Knitting in urbanen Räumen präsent. Den Gärtnern und Strickern geht es vor allem um die Rückeroberung des öffentlichen Raumes, der zunehmend nur noch in der Rolle eines passiven Konsumenten betretbar ist. Auch das „IKEA-Hacking“ setzt das hierarchische Verhältnis zwischen Konsument und Produkt spielerisch und kreativ in Bewegung. Die Umgestaltung des „Poäng“-Sessels in einen Schlitten durch Kieren Jones von der niederländischen Designergruppe Platform21 ist hier das berühmteste Beispiel.
Neben der gesellschaftskritischen Funktion hat das DIY aber noch viele weitere Seiten, von denen die Ausstellung ebenfalls erzählt. Gezeigt wird die Erfolgsgeschichte der Baumärkte seit den 1960er Jahren, die vor allem dem klassischen Hobby-Handwerker zu verdanken ist; es wird die Bedeutung von Amateuren, Laien und Dilettanten bei der Organisation von enzyklopädischem Wissen im 18. Jahrhundert bis hin zur Wikipedia erläutert und die Tradition der Elektro-Baukästen für Jungs gezeigt.
Wenn auch die Präsentationsform der Ausstellung mit dem vielen Plastik und den knalligen Farben ein wenig anstrengt, wurde das facettenreiche Phänomen DIY in den Ausstellungsräumen sehr interessant aufbereitet. Besonders punkten kann die Schau aber vor allem über das vielseitige Begleitprogramm, das Mitmach-Optionen wie UpCyclingworkshops bietet, in denen man aus Schrott Schmuck machen kann. Absolut lohnenswert ist ein Besuch des die Ausstellung begleitenden Blogs: Dort ist die ganze Bandbreite des Themas – und auch die Entstehungsgeschichte der Ausstellung im Museum für Kommunikation in Frankfurt, wo sie zuerst zu sehen war – sehr materialreich dokumentiert.
„DIY – Die Mitmach-Revolution“, Ausstellung im Museum für Kommunikation, Leipziger Straße 16, Berlin-Mitte, U-Bahn: Stadtmitte.
Zu sehen ist die Schau noch bis zum 02. September 2012, Dienstag 9 – 20 Uhr, Mittwoch bis Freitag 9 – 17 Uhr, Samstag, Sonntag und an Feiertagen 10 – 18 Uhr. Eintritt 3 €/ermäßigt 1,50 €.