Los Angeles – da denken wir an Hollywood, an Surferboys, an Reklame, an Sandstrand und Meer. Der sommerliche Flair des kalifornischen Lebensstils klingt wie ein Versprechen in den Ohren blasser Mitteleuropäer. Nicht zuletzt durch die dort ansässige Filmindustrie hat das Zentrum Kaliforniens sich den Ruf einer Art gelobten Landes erarbeitet. Für seine Kunstszene ist die Stadt im Gegensatz zu New York allerdings nicht bekannt. Es wäre ja irgendwie auch überraschend, immerhin gilt das weit verbreitete Vorurteil, ein wahrer Künstler müsse leiden, um Großes zu schaffen; das „Feel-Good-Prinzip“ steht dem ja diametral entgegen. Dass die Metropole an der Westküste der U.S.A. neben Sonnenschein, Palmen und Hochglanzpolitur trotzdem auch großartige Kunst hervorbrachte, zeigt die Ausstellung „Pacific Standard Time – Kunst in Los Angeles 1950-1980„. Noch bis zum 10. Juni kann man sich im Martin-Gropius-Bau Werke kalifornischer Künstler wie John Baldessari, Judy Chicago, Bruce Nauman, David Hockney, Edward Kienholz oder Ed Ruscha ansehen. Dabei ist von Malerei über Assemblage bis hin zur Skulptur eine reiche Fülle von Kunstformen vertreten.
Der Einfluss des sonnenverwöhnten Klimas wird in vielen Arbeiten spürbar – kein Wunder, da viele der Künstler Surfer waren, wie wir im ZDF-Interview von Kuratorin Rani Singh erfahren. Am offensichtlichsten verkörpert das hiermit verbundende Lebensgefühl das wohl berühmteste Bild der Schau, David Hockneys „A Bigger Splash“. Es ist eines von Hockneys Swimmingpool-Bildern aus dem Jahre 1967, nach dem auch ein Dokumentarfilm von Jack Hazan aus dem Jahr 1974 benannt wurde. Obwohl kein Meer zu sehen ist, ist im Bild das Geräusch der Wellen und die Wärme der Sonne allgegenwärtig. Schnell wird auch die Künstlichkeit dieser hedonistischen Freizeitphantasie deutlich. Präzise Linien, klare Farben: Makellosigkeit, die ohne Menschen auskommt.
Der schöne Schein der Werbeindustrie, der die Wirklichkeit in L.A. noch ein wenig künstlicher als anderswo wirken lässt, ist in der Schau allgegenwärtig. Diese Qualität tut den Werken jedoch nicht den geringsten Abbruch, weil viele der Arbeiten offen mit dem Thema umgehen und ihm seine eigene, spezifische Ästhetik abpressen. Peter Alexanders „Cloud Box“ ist ein aus Polyesterharz gegossener Würfel, in dessen rauchigem Plastik sich milchige Wolken auftun: Ein verträumter Effekt, der die Besucher schwärmend vor dem Exponat stehen bleiben lässt. Die lollipopartige Symbolskulptur DeWain Valentines „Red Concave Circle“ von 1970 (weiter unten im Video zu sehen), die wie eine rote Sonne den Raum beherrscht, schöpft ihre Anziehungskraft aus einer ähnlichen Quelle.
In „Pacific Standard Time“ trifft Hard-Edge-Malerei auf Keramikskulptur, was zuweilen lebhaft-lustig wirkt. Dabei war das L.A. der Nachkriegszeit nicht ausschließlich ein Ort des schönen Lebenswandels: Frauen konnten damals nur bedingt am öffentlichen Leben teilhaben, Schwarze praktisch gar nicht. Die Künstlerin Judy Chicago kommentierte dieses Jahr auf gelungene Weise, indem sie feministische Symbole auf eine Kühlerhaube sprühte. Auch der Einfluss von Kriegserfahrungen scheint den gesellschaftskritischen Werken eingeschrieben: Der Neodadaist Edward Kienholz führt in seiner Arbeit „The Future As Afterthought“ von 1962 Puppenteile auf einem gedrechselten Holzfuß zu einer grotesken Skulptur zusammen.
„Pacific Standard Time“ zeigt im ersten Teil der Ausstellung mehr als 70 Werke von über 50 Künstlern der West-Coast-Kunstszene. Im zweiten Teil sind über 200 Objekte zu sehen, darunter Fotografien, Künstlerkataloge, Bücher, Poster, Postkarten, Einladungen und Briefe. Interessant ist vor allem, dass auch die Werke weniger bekannter Künstler wie der abstrakten Maler Helen Lundeberg und Karl Benjamin, der Keramiker Ken Price und John Mason oder des Bildhauers De Wain Valentine dem Berliner Publikum präsentiert werden. Zudem werden Architektur-Fotografien von Julius Shulman gezeigt. Die Ausstellung geht auf ein Projekt des Getty Centers in L.A. zurück; mehr als 60 Museen und Institutionen beteiligten sich daran. Warum Berlin als einzige auswärtige Station der Ausstellung auserkoren wurde, erklärt die Künstlerin Judy Chicago im Interview mit euronews.
Wir verlosen 2×2 Freikarten für die „Pacific Standard Time, Kunst in Los Angeles 1950–1980“-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau!
Klicke hier, um mit „PACIFICSTANDARD“ als Kennwort an der Verlosung teilzunehmen. Einsendeschluss ist Sonntag der 20.Mai um 18 Uhr!
„Pacific Standard Time – Kunst in Los Angeles 1950–1980“, Malerei/Assemblage/Installation/Fotografie/Skulptur, noch bis zum 10. Juni 2012 im Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, Berlin-Kreuzberg, S- und U-Bahn Potsdamer Platz. Geöffnet täglich außer dienstags von 10 bis 19 Uhr sowie am Dienstag nach Pfingsten (29. Mai). Tickets € 12/ermäßigt € 9, freier Eintritt bis 16 Jahre.