Mohn – Mohn

Mohn - Mohn - AlbumcoverDie Pseudonymwut der beiden Produzenten Wolfgang Voigt und Jörg Burger kann man wohl gut und gerne als Hinweis verstehen: Festnageln lassen möchten sie sich nicht. Mit Mohn nimmt die bereits über 20 Jahre währende Freundschaft und Zusammenarbeit, aus der neben etlichen Platten auch der Kompakt–Plattenladen und das gleichnamige Label hervorgingen, eine neue Richtung. Welchen Sound verfolgen die beiden jedoch im Laufe der neun Tracks? Sind sie als Anlehnung an Voigts legendäres Gas-Projekt zu verstehen? Versuchen sich die beiden an einem Abgesang des Minimaltechnos, den sie selbst so entschieden mitgeprägt haben? Arbeiten sie ihre eigenen Hörgewohnheiten auf? Fragen, auf die „Mohn“ keine schnellen Antworten gibt, oder höchstens vorschnelle.

Ein Titel wie „Ambientôt“ lädt ebenso schnell zu Trugschlüssen ein wie die kosmisch-krautigen Synthies, mit denen „Saturn“ und „Ebertplatz 2020“ starten. Weitab von halbgaren Eso-Sounds und Hochglanz-Retromanie ist „Mohn“ jedoch eher als eine Art Labor zu denken, in dem sich Voigt und Burger mit einigen Klischees austoben. In „Ebertplatz 2020“ fällt irgendwann ein fetter, kratziger Bass in die spiegelglatte New Age-Atmosphäre und lässt die Beats und Klangflächen gegeneinander schwappen, „Saturn“ wird durch Feldaufnahmen wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. „Mohn“ fungiert nicht wirklich als der vielbeschworene Rahmen ohne Bild oder nostalgische Zukunftsfantasie mit Instagrambleiche und Weiterklickcharakter, es fordert seiner Hörerschaft einiges ab.

Denn unter der Oberfläche brodelt es ständig, reiben sich Analoges und Digitales aneinander. „Mohn“ oszilliert nah am überbordenden Barock herum, nur die Formstrenge verhindert den Overkill. Das auf- und abwallende Loop des Titelsongs mag in seiner Monotonie nervenaufreibend sein, es hypnotisiert trotzdem. Sowieso scheint es unmöglich, Mohn die Daumenschrauben anzusetzen, jeder Durchlauf nimmt einen anderen Verlauf. Was eben noch als harmlose, wohlige Ambientklänge ums Eck streicht, nimmt beim nächsten Mal mit subkutan wummernden Bässen eine bedrohliche Dimension an. Wo „Mohn“ streckenweise langweilt, wo sich die Redundanzen breit machen, da zeigen sich in einem anderen Licht betrachtet die starken und spannenden Stellen.

Was ist also „Mohn“? Das Destillat an Restrealität nach dem Hype um den Minimaltechno, dessen kalte Chords wie eine im Nebel verlorengegangene Fußnote über „Seqtor 88“ wabern? Doch eine Liebeserklärung an die alte Ambient-Schule oder die futuristischen Krautrocksounds? Eine Trittbrettfahrt auf den zeitgenössischen Noise-Trends – der Opener „Einrauschen“ legt das fast nahe – und hipper Ewiggestrigkeit? Oder doch, wie der Promotext den Mund etwas voll nimmt, eine „Neudefinition des Pop Ambient Sounds“? Die banal wirkende Antwort ist, dass „Mohn“ das ist, was man draus macht. Ob man lieber die albtraumhafte Theatralik von „Schwarzer Schwan“ oder die sedierenden Synthieflächen von „Das Feld“ Überhand gewinnen lassen will, bleibt immer noch im eigenen Ermessen.

Das ist der Clou an diesem Album: Es lässt sich nicht festnageln, sondern bietet Anknüpfmöglichkeiten. Voigt und Burger drücken ihrer Hörerschaft die roten Fäden in die Hand und halten sich vornehm im Hintergrund. „Mohn“ braucht vielleicht ein paar Durchläufe, um zu zünden. Aber das liegt eben daran, dass Voigt und Burger damit ein Album abgeliefert haben, das bis zur Opazität vielseitig ist.

Preview:

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Tracklist:

  1. Einrauschen
  2. Schwarzer Schwan
  3. Ambientôt
  4. Saturn
  5. Seqtor 88
  6. Das Feld
  7. Ebertplatz 2020
  8. Mohn
  9. Wiegenlied