Wild ging es zu im Berliner Untergrund der 90er-Jahre, wenn man Regisseur und Zeitzeuge Lucian Busse glaubt. Der hat mit „Berlinized – Sexy an Eis“einen Dokumentarfilm gedreht, in dem er eigenes Videomaterial von damals zeigt und in dem Szene-Protagonisten zu Wort kommen. Der Regisseur hat „Berlinized – Sexy an Eis“ auch selbst fotografiert und geschnitten.
Der Film beginnt mit verwackelten Aufnahmen und schrägen Tönen des Performance-Künstlers und Musikers Captain Space Sex, der auf einer Brache steht, die heutzutage das Regierungsviertel ist. Anschließend erzählen der Trans-Cyberpunk und seine Mitstreiter von ihren Erlebnissen auf dem „riesigen Spielplatz“, der Berlin in den 1990ern für sie gewesen sei. In diesem Jahrzehnt entwickelten sich in den Freiräumen, die durch Mauerfall und DDR-Zerfall entstanden, zahlreiche Subkulturen – so auch die Technoszene, von der auch Felix Denk und Sven von Thülen in ihrem neuen Buch „Der Klang der Familie – Berlin, Techno und die Wende“ berichten (siehe den Artikel bei BLN.FM).
Die von Regisseur Busse dokumentierten Künstler wollen sich jedoch abgrenzen vom immer stärker kommerzialisierten Techno. Es sei ihnen nicht nur um Musik und Party gegangen, vielmehr wollten sie einen ganz eigenen Lifestyle kreieren, wie sie immer wieder mit Nachdruck zu Protokoll geben. Hedonismus sei ihre Ideologie gewesen, es sei darum gegangen, den gegenwärtigen Augenblick ohne großes Nachdenken zu leben und das zu erschaffen, worauf man gerade Lust hatte. Leerstand, Brachen und Baustellen in Berlin lieferten den nötigen Platz dazu. „Ich hatte einfach das Gefühl, hier manifestiert sich was, was für mich auch selber existenziell wichtig ist. Das hat eins zu eins mein Lebensgefühl gespiegelt, dass man ohne Angst leben kann, ohne allzu große Kontrolle. Dass man einfach tun kann“, sagte Lucian Busse in einem rbb-Interview.
Der Film lebt von den Erinnerungen der Akteure von früher, sie lobpreisen gedankenverloren die 1990er in Berlin und erinnern sich in wehmütigem Ton an ihre damalige Unbekümmertheit. Jedoch kommt das Ganze leider nicht zu dem Punkt, der aus heutiger Sicht spannender wäre – zu der Frage nämlich, wie die Protagonisten heute über ihren damaligen Lebensstil denken und wie sie den Wandel empfinden, der sich in Berlin seitdem vollzogen hat. Für den zweiten Aspekt hat der Film nur immer wiederkehrende, lange Nahaufnahmen von Baggerschaufeln übrig. Deswegen bietet „Berlinized – Sexy an Eis“ kaum mehr als ein paar sich wiederholende, unterhaltsame Anekdoten zu den Hot Spots vor 20 Jahren, den spontan eröffneten Clubs und sporadisch geöffneten Hinterhof-Bars in Berlin-Mitte, belegt mit ein paar Originalaufnahmen.
Berlinized – Sexy an Eis, Dokumentation, Deutschland 2011, 84 Min. Zu sehen auf dem „achtung berlin„-Festival 24. April um 21:30 Uhr im Filmtheater am Friedrichshain, Tram: Am Friedrichshain.