Alcatraz im Oslo-Fjord

„Ich sah einen Wal, der – von drei Harpunen getroffen – einfach von dannen zog. Es dauerte einen Tag bis er tot war. Die Harpune, mit der ich ihn erwischt habe, hatte ihn geschwächt und er war mit Narben übersäht von all seinen überstandenen Kämpfen.“ Diese Geschichte vereint Grausamkeit mit Hoffnung und Poesie als Eröffnungssatz von „King of Devil’s Island“. Der norwegische Film erzählt nach einer wahren Begebenheit die Geschichte einer Revolte auf der Gefängnis-Insel Bastøy im Jahre 1915.

Auf der Flucht

Mit dem Postdampfer erreichen die beiden Neuankömmlinge Ivar und Erling (Benjamin Helstad) die Insel im Oslo-Fjord. Dort finden sie eine hermetisch abgeschottete Gemeinschaft unter dem strengen Diktat des Rektors Hakon (Stellan Skarsgård) vor. Mit harter Arbeit, Schulunterricht und brutalen Bestrafungen sollen die ca. 150 Jungen zu „grundauf ehrlichen, demütigen Christenmenschen“ erzogen werden. So werden sie hart gemacht, wachsen aber auch als Gemeinschaft zusammen.

Rebell Erling

Doch der rebellische Erling stemmt sich von Anfang an gegen dieses von Angst regierte System und plant seine Flucht. Sein Konterpart ist Olav, der Musterschüler des Direktors. Seit sechs Jahren auf der Insel, hat er sich dem System nicht nur unterworfen, er ist sogar ein Teil davon: Als Ältester in Baracke C ist er sowohl Vertrauter seiner Mithäftlinge, als auch Spitzel für den Rektor. Er hofft darauf, in drei Wochen entlassen zu werden. Mit untrüglichem Gerechtigkeitssinn stachelt Erling die Jungen zur Revolte an, nachdem Ivar vor den sexuellen Misshandlungen druch den Aufseher Bråthen (Kristoffer Joner) in den Freitod flüchtete.

Bråthen und die Jungen beim Apell

Regisseur Marius Holst erzählt die Geschichte des Gefängnis-Aufstandes in ruhigen, kraftvollen Bildern. Die Grausamkeit der Einrichtung, die Perspektivlosigkeit und die Rohheit, die auf Aufsehern und Häftlingen ruht, spiegeln sich in der winterlichen, kargen Landschaft mit ihren kühlen Farben wieder. Trotzdem ist das Motiv der Freiheit allgegenwärtig durch den steinigen Strand und den peitschenden Wind, die immer wieder sehnsuchtsvoll gezeigt werden. In „King Of Devil’s Island“ geht es jedoch weniger um Grausamkeit, als um Menschlichkeit.

Hakon muss die Insel verlassen

Besonders die Wandlung der Hauptcharaktere unterstreicht diese Aussage: Der resignierte Olav will zunächst nichts anderes, als die Insel durch gutes Betragen zu verlassen. Erst als der Rektor den Aufseher Bråthen deckt, erwacht sein Gerechtigkeitssinn und er wird mit Erling zu den Anführern und Märtyrern des Aufstandes. Doch auch der Rektor ist kein von Grund auf grausamer Mensch. So unmenschlich die körperlichen Züchtigungen aus unserer heutigen Sicht wirken mögen, galten sie damals ein probates Erziehungsmittel. Die Einrichtung Bastøy handelt insofern moralisch integer, als dass die brutalen Bestrafungen trotzdem gerecht verteilt werden. „Strafen ohne Barmherzigkeit ist unmenschlich“, sagt Hakon. Erst durch die Vergehen Bråthens wird dieses Gleichgewicht zerstört und Hakon lässt sich korrumpieren.

Die Armee erobert die Insel zurück

Besonders überzeugt auch die Leistung der Schauspieler, insbesondere die der Häftlinge. Bis auf die beiden Erwachsenen sind die weiteren Schauspieler Amateure, die Regisseur Holst in ganz Norwegen zusammensuchte. Da einige von Ihnen – so auch Erling-Darsteller Benjamin Helstad – bereits selbst in Erziehungseinrichtungen eingesessen haben, können sie auf unvergleichliche Weise die Gebrochenheit der jungen Häftlinge darstellen.

„King Of Devil’s Island“ ist ein filmisches Epos, das von Moral und Menschlichkeit erzählt, aber auch Zeitdokument der brutalen Verfahrensweisen europäischer Staaten mit auffälligen Jugendlichen Anfang des 20. Jahrhundert ist. Ein berührender Film, der durch seine Bilder eine eigene, karge Poesie entwickelt.

King of Devil’s Island, Norwegen, Frankreich, Polen, Schweden 2010, 105 Minuten, ab 29.03. im Kino