Geradezu euphorisch bejubelt wurden am 8. März im Kater Holzig Felix Denk und Sven von Thülen bei der Präsentation ihres Buches „Der Klang der Familie – Berlin, Techno und die Wende“, welches die Autoren dort dem Publikum vorstellten. Kein Wunder, denn ein Großteil der nicht mehr ganz jungen Zuhörer hat schließlich selbst miterlebt, was die beiden aufgeschrieben und vorgelesen haben.
Die Autoren sind Veteranen der Techno-Szene. Felix Denk schreibt regelmäßig unter anderem für De:Bug und Groove, Sven von Thülen beglückt das Berliner Tanzvolk im DJ-Tandem Zander VT unter anderem als Resident-DJ des Watergate. In ihrem Buch lassen die gut vernetzten Autoren die Protagonisten der ersten Stunde zu Wort kommen. Dr. Motte, Westbam, Maruscha und andere Szenegrößen erzählen von ihren frühen Erfahrungen mit elektronischer Musik und geben einen amüsanten Einblick in die Anfänge des Techno. Die Musik wurde nicht nur, wie der Titel des Buches andeutet, zum Soundtrack der Wiedervereinigung, sondern zu einem Bezugspunkt, dessen Rhythmus viele ihre Leben unterordneten.
Ihr Buch haben die Autoren in drei chronologisch angeordnete Teile gegliedert. Der erste handelt von den Vorläufern des Techno. Hier erzählen die Beteiligten wie sie in den 80er Jahren von neuer, ihnen unbekannter Musik aus den Vereinigten Staaten beeinflusst wurden. Disco, Detroit-House und Breakdance hielten sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR Einzug und prägten die späteren Techno-Produktionen. Über Umwege in Detroit und Frankfurt fand diese neue Musikrichtung schließlich im wiedervereinigten Berlin ihre Heimat, wovon der zweite Teil des Buches berichtet. Zahlreiche leerstehende Gebäude luden nach dem Fall der Mauer förmlich dazu ein, bespielt zu werden. Der neu gewonnene Freiraum wurde für eine noch nie da gewesene Feierkultur genutzt: Partys, die kein Ende nehmen wollten und Wochenenden, die „von Donnerstag bis Mittwoch“ gingen. Bei den exzessiven aber friedlichen Partys entwickelte sich ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das Klassengrenzen sprengte und Herkunft irrelevant machte. Im letzten Kapitel beschreiben Denk und von Thülen schließlich die Entwicklung und Professionalisierung der Szene in den 90er Jahren. Spätestens mit der Loveparade wurde die ehemalige Subkultur zu einer Massenbewegung und Teil des Mainstreams.
Die Geschichte der elektronischen Musik erzählen die Autoren in Form einer Oral History. Das heißt: Zeitzeugen plaudern aus dem Nähkästchen und berichten ungeniert über ihre Erfahrungen mit Drogen, Auseinandersetzungen mit Polizei und Behörden und von sexuellen Abenteuern. Während dies das Buch einerseits kurzweilig und amüsant macht, kommt es andererseits aber nie über eine bloße Aneinanderreihung von Anekdoten hinaus. Neben interessanten Episoden findet sich Belangloses, von Schlägereien in einem Fußballstadion bis zu Geschichten von feiernden Polizisten im Dienst. Oft entsteht der Verdacht, dass einige Erzähler Mythenbildung betreiben und sich und der damaligen Zeit insgesamt ein unkritisches Denkmal setzen wollen.
Der Leser kommt deshalb nicht umher, die Episoden selbst kritisch auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Wer allerdings keinen Geschichtsunterricht nehmen sondern einfach den Erfahrungen der Helden von damals lauschen möchte, ist mit diesem Buch bestens bedient.
Felix Denk und Sven von Thülen: „Der Klang der Familie – Berlin, Techno und die Wende“, edition Suhrkamp 2012, 423 Seiten, 14,99 Euro.