T. zählt den Countdown von fünf herunter. Auf die Wand hinter ihm ist eine Internetseite projiziert. Bei Null fährt Mr. Schtief mit dem Mauszeiger über einen Knopf, auf dem „Publish“ steht, und klickt ihn. Auf der Seite erscheint eine Fehlermeldung. T weiß aber, wie man das Problem löst: „Du musst nur ein paar Haken setzen“, sagt er. Mr. Schtief setzt Haken und drückt noch einmal den Knopf. Dieses Mal funktioniert es. Das Handy-Spiel, das T., Mr. Schtief und rund 15 andere Entwickler in den vergangenen zwölf Monaten entwickelt haben, ist jetzt auf der neuen Plattform Google Play verfügbar. Die rund 50 Zuschauer in der c-base in Berlin jubeln, während sie gleichzeitig auf ihren Handys herumtippen, um „Immopoly„, wie das Spiel heißt, herunterzuladen.
Die Spieler sind Makler, die Wohnungen anmieten und Provision kassieren, sobald eine Wohnung an einen Mieter vermittelt wurde. Immopoly spielt dabei mit dem wahren Leben: Die Wohnungen im Spiel sind echt – Immopoly nutzt die Datenbank der Online-Wohnungsbörse Immobilienscout. Alles andere ist allerdings virtuell, die Provision nur Spielgeld. Je nachdem, wo man sich gerade befindet, zeigt die Handy-Software (englisch: App) an, welche Wohnungen im Umkreis von ein bis zwei Kilometern auf dem Mietmarkt angeboten werden. Mietet man dann als Makler eine der Wohnungen – virtuell – an, zahlt man so lange die Kaltmiete, bis die Wohnung tatsächlich gemietet wird. „Je schneller die Wohnungen weg sind, desto mehr Geld kann man machen“, erklärt Mr. Schtief. Als Makler verdiene man derzeit in Berlin-Friedrichshain am meisten. „Die Wohnungen sind da meist schon nach drei Tagen neu vermietet.“ Will man eine Wohnung anmieten, die bereits einem anderen Makler gehört, muss man an ihn Strafe zahlen. „Das ist wie bei Monopoly, wenn Du auf die Straße eines Mitspielers gehst“, sagt Schtief.
T und Mr. Schtief stellen ihr Handy-Spiel in der c-base vor, dem Hacker-Club Berlins. Hier siehts weder wie im Computer-Pool der Uni noch wie in einem Internet-Café aus, sondern eher wie auf einem Indie-Pop-Konzert – keine langen Tischreihen mit Computern, sondern Sitzgruppen, eine Bar und hauptsächlich Männer Ende 20, Anfang 30 mit Trainingsjacken, eng sitzenden Hosen und Smartphones. Nur heißen sie hier nicht Thomas, Stefan oder Paul, sondern Keks, T und Mr. Schtief. Bürgerliche Namen haben sie natürlich auch. Aber: „Wenn man mich unter meinem echten Namen googlet, findet man nichts. Treffer gibt’s nur bei Mr. Schtief.“ Unter den ersten zehn sind seine Homepage und sein Twitter-Account, ein Youtube-Video, in dem er vorkommt, und ein paar Links, denen zufolge er Android-Entwickler ist. Android ist das Handy-Betriebssystem von Google. Im Juni 2011 gewann das Immopoly-Team den 1. Platz eines Wettbewerbs für Handy-Software, den ImmobilienScout ausgeschrieben hatte.
„Mit Immopoly kann man spielend seinen Kiez besser kennenlernen“, sagt Mr. Schtief. Dass die bekannteste Online-Wohnungsbörse Deutschlands dahinter steckt, stört ihn nicht. Im Spiel selbst sei kaum zu erkennen, wessen Daten genutzt werden.
Das echte Leben wird durch das Spiel bisher nicht beeinflusst. Allerdings planen die Macher schon den nächsten Schritt: Immopoly soll eine Dienstleistung für Wohnungssuchende werden und am Ende Berufs-Makler umgehen. Über eine Internet-Seite sollen Wohnungssuchende künftig Anfragen senden können: „Vier Zimmer in Prenzlauer Berg, Balkon, kinderfreundlich, Hundeverbot“. Weil sich die Immopoly-Makler auf dem deutschen Wohnungsmarkt perfekt auskennen, können sie entsprechende Wohnungen empfehlen – so sie denn wollen.
Die Spieler bekommen für ihre Aktionen – virtuell – Auszeichnungen. Und ein bisschen Geld. Weil sich Immobilienscout erhofft, sein Portal durch das Spiel bekannter zu machen, zahlt die Online-Börse monatlich 5.000 Euro an die Entwickler. Die verteilen das Geld untereinander nicht nach der Zeit, die sie in die Arbeit investiert haben, sondern nach einer internen Bewertung der Arbeit. „Wenn jemand nur fünf Minuten für eine Weiterentwicklung gebraucht hat, das aber etwas ist, worauf die Community schon lange gewartet hat, dann kann es sein, dass er hoch bewertet wird und am Ende des Monats das meiste Geld bekommt“, erklärt T. „Bisher waren noch alle zufrieden mit ihrem Lohn.“