Der permanente Druck, sich einzugliedern in die unaufhaltsame Maschinerie der kapitalistischen Arbeitswelt, sich unterzuordnen in die Hierarchie des Systems, sprich: zu funktionieren, das macht viele unzufrieden, wütend und verzweifelt. Manchmal entlädt sich diese Energie in einer Revolution. Doch eher ist wahrscheinlich, dass sie sich in den Einzelnen frisst. Im extremsten Fall enden Resignation und Verbitterung in der Selbsttötung.
Polizeiberichte schildern das Verhalten von Selbstmördern vor ihrem Freitod und inspirierten Franz Xaver Kroetz zu seinem Stück „Wunschkonzert“. Im Rahmen des „Festival Internationale Neue Dramatik“ (F.I.N.D.) hat sich Mikael Serre mit „L‘impasse – I am what I am“ an einer Neuauflage versucht.
Eine anonym bleibende Frau mittleren Alters kommt nach der Arbeit erschöpft nach Hause. Ihre Wohnung ist zur Untermiete, deren Einrichtung bieder. Schlafsofa, Küchenschrank, Esstisch, Radio und ein Klo mit Kosmetikschrank machen ihre kleine Welt. Links und rechts der Bühne steht technisches Gerät: Kameras, die im Laufe des Stückes Nahaufnahmen auf das penibel eingeübtes Ritual liefern, das die kurze Zeitspanne zwischen dem Feierabend und der Schlafenszeit füllt – und einen Theaterabend an der Schaubühne Berlin.
Wortlos und apathisch verrichtet sie die Dinge. Sie isst und trinkt etwas, blättert in einer Zeitschrift, fängt an zu nähen. Untermalt wird das Ganze von verstörend geheimnisvollen elektronischen Klängen. Eine Stimme aus dem Nichts verliest dazu Textpassagen aus der Streitschrift „Der kommende Aufstand“, dem populären radikalen Pamphlet des Unsichtbaren Komitees, das dem kapitalistischen System Scheitern attestiert und zur Sabotage, Gewalt und Aufstand aufruft. Doch die Frau, auf die alle Augen gerichtet sind, hört diese Aufforderung nicht mehr. Es ist zu spät für sie.
Sie wird beobachtet. Das merkt sie. Der „Big Brother“ des Stücks ist der Kameramann auf der rechten Seite der Bühne. Ab und zu greift er in das Geschehen ein, mit knappen Anweisungen dirigiert er die verlorene Seele auf der Bühne – ein origineller Einfall des Regisseurs Mikael Serre, um die Beziehung des Individuums mit dem Rest der Gesellschaft darzustellen. Beruht nicht die Anerkennung in der Arbeitswelt darauf sich beobachten und beurteilen zu lassen? Die Chance auf Anerkennung, eines der menschlichen Grundbedürfnisse, bliebe doch verbaut, wenn man sich nicht beständig dem prüfenden Blicken Dritter aussetzt.
Am Ende des Stücks legt sich die Protagonistin schlafen. Ein Video zeigt Bilder vom arabischen Frühling. Die Revolution, Alternative zur Selbstzerstörung, ist nur ein Traum. Sie wird es heute nicht geben. Ein kräftiger Schluck Sekt und eine Hand voll Schlaftabletten setzen den Schlusspunkt. Das System hat gesiegt.