Die Antwoord – Ten$ion

Die Antwoord: Tension Als sich Die Antwoord vor einigen Jahren aufmachten, mit den Grenzen des „guten Geschmacks“ Limbo zu tanzen, bedurfte es schon einer gewissen Portion Furchtlosigkeit, sich dem Erstlingswerk „$O$“ hinzugeben. Obszöne Schimpftiraden und homophobe Verse auf Afrikaans, gepaart mit stumpfen Beats und Ekel erregenden Videos sind wahrlich nicht jedermanns Sache. Dass sich die Band dennoch großer Beliebtheit erfreut, liegt am pointierten Ansatz: Alles ist Satire, alles ist erlaubt.

Erfolg durch Provokation – das mag durchaus kalkuliert wirken, ist aber auch ein probates Mittel, um sich in der Musikwelt einen Namen zu machen. Und eben das gelingt kaum einer Gruppe so gut wie dem Trio aus Südafrika. Bis zu Perfektion verkörpern sie die Zef-Kultur, die am ehesten mit dem „White Trash“ in Nordamerika zu vergleichen ist. Da passen die Kakerlaken, die im Video zu „I Fink You Freeky“ übers Essen laufen, genauso in die Inszenierung, wie Yolandi Vi$$ers wasserstoffblonde Vokuhila-Frisur oder die Gang-Tattoos, die Goldkette und der Oberlippenbart von MC Ninja.

Die Bedeutung von Die Antwoord ist unbestritten. Keine andere Stimme in der Popkultur prangert so laut und unumwunden die Probleme an, die Südafrika nach Ende der Apartheid plagen: offensichtlicher Rassismus und Schwulenfeindlichkeit, aber auch eher verdrängte Aspekte wie Beschneidungsrituale in den Stammeskulturen. Gemischt wird das mit dem unverwechselbar trashigen Sound, produziert von DJ Hi-Tek, der nichts anderes will, als auf primitivste Weise zu unterhalten. Das Konzept ging auf und Die Antwoord unterzeichneten einen Vertrag bei Interscope, dem Label, das auch anderen kontroversen Gestalten wie Marilyn Manson und Lana del Rey eine Heimat bietet.

Doch während der Arbeit am zweiten Album kam es zum Zerwürfnis mit dem Verlag. Den nun auf dem selbstgegründeten Label Zef Recordz herausgebrachten Nachfolger haben Die Antwoord dann auch passenderweise „Ten$ion“ getauft. Dass sich Interscope, entgegen der Absprachen, wiederholt in die Produktion einmischte, ist allerdings in Anbetracht der Lyrics auch nicht wirklich überraschend. Zentraler Streitpunkt war der Track „DJ Hi-Tek Rulez“, ein 100-sekündiger Rap, gespickt mit homophoben Pöbeleien: „DJ Hi-Tek will fuck you in the ass… You can’t touch me, faggot, you’re not man enough… I fuck you ‚till you love me…“ Zugegeben handelt es sich dabei um einen berüchtigten Mike-Tyson-Ausraster – und DJ Hi-Tek ist offenkundig homosexuell. Doch ist dies einer der zahlreichen Momente auf diesem Album, an dem man zu der Überlegung kommt, was Satire eigentlich darf. Welche Botschaft entsteht, wenn man unter solch niederträchtige Schwulenhetze einen tanzbaren Rhythmus legt? Sind Die Antwoord so etwas wie der Borat der Musikszene?

Im Kontrast dazu beweisen die exzellenten Titel „Fatty Boom Boom“ und „So What?“, dass Die Antwoord durchaus in der Lage gewesen wären, ein hervorragendes reines Hip-Hop-Album herauszubringen. Doch genau das ist „Ten$ion“ nicht – über weite Strecken sind die Texte unmotiviert oder einfach nur hohl. Zeilen wie „I’m indestructable, gangster number one… that’s why we keep it motherfucking gangsturrr!“ oder „Bitch, you make a ninja wanna fuck, bitch…“ wirken wie aus einem fiktiven Handbuch mit dem Titel „How to be a Gangster Rapper Pt. 1“ abgeschrieben. Die vielzitierte Satire ist eigentlich eine Spielart des Humors, doch erschreckend wenig auf dem Album ist gewitzt. Hier ein bisschen Dub-Step, dort ein paar Strophen rappen, dazu noch eine große Portion Rave.

Musikalisch betrachtet ist „Ten$ion“ dennoch eine lupenreine High End-Trash-Produktion: der Schampus aus dem Discounter sozusagen. Der Rave-Rap ist den Südafrikanern auf den Leib geschnitten: MC Ninja klingt wie Eminem mit putzigem Afrikaans-Englisch-Dialekt, Vi$$ers Gesang ist so süß wie eh und je und auch die Rhythmen von DJ Hi-Tek sind schön bekloppt. Der Track „I Fink U Freeky“, wenn auch gewöhnungsbedürftig, entwickelt sich zu einer großen Tanznummer. „Hey Sexy“ wird – verhalten ausgedrückt – wohl kaum einen Poesiewettbewerb gewinnen, hat aber einen ganz netten, M.I.A.-ähnlichen Basslauf.

Sicherlich gibt es die Momente, an denen „Ten$ion“ Spaß macht und man bis in die Bewusstlosigkeit tanzen kann, doch ist es noch viel häufiger anbiedernd und weit weg vom selbst angestrengten politischen Diskurs. Vielleicht ist es ein cleverer Zug, erst einmal die unermessliche Erwartungshaltung nach „$O$“ zu dämpfen. Das Ergebnis jedoch wirkt, als ob Die Antwoord nicht gewusst hätten, in welche Richtung sie eigentlich gehen möchten. Und so steht zu befürchten, dass dieses Album am ehesten den Soundtrack zur nächsten Bad-Taste-Party bilden wird.

Preview:

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Tracklist:

  1. Never Le Nkemise 1
  2. I Fink U Freeky
  3. Pielie (Skit)
  4. Hey Sexy
  5. Fatty Boom Boom
  6. Zefside Zol (Interlude)
  7. So What?
  8. Uncle Jimmy (Skit)
  9. Baby’s on Fire
  10. U Make a Ninja Wanna F**k
  11. Fok Julle Naaiers
  12. DJ Hi-Tek Rulez
  13. Never Le Nkemise 2

(Zef Recordz)