Man weiß nicht so recht: Ist es zum Teil berechtigter Selbsthass oder gar ein morbider Narzissmus, der Menschen dazu treibt, sich immer wieder in Phantasien vom Weltuntergang zu ergehen? Beispiele reichen von religiösen Riten bis hin zu Hollywoods Traumschmiede, die als aktuelles Beispiel den herrlich absurden Weltuntergang-Actionthriller „2012“ geliefert hat – die menschliche Faszination für das Ende der Welt ist unbestreitbar. Vielleicht spiegelt sich in dieser Faszination lediglich die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod und die Frage, was wir dieser Welt von uns hinterlassen. Die Faszination für diese Frage greifen die beiden Fotografen Yves Marchand und Romain Meffre in ihrer Fotoreihe „The Ruins of Detroit“ auf. Ihre mehrfach ausgestellten Bilder erschienen als Fotobuch, in Berlin waren sie im Dezember 2011 im Kühlhaus zu sehen.
Marchand und Meffre waren fasziniert von jenen Gebäuden, die Zeugen einer vergangenen Zeit sind und nun als Ruinen auf faszinierende Weise von deren Ende zeugen. Ihre Arbeit an dem Projekt begannen sie 2005.
Detroit, die ehemalige Automobilmetropole zwischen den großen Seen zeugt vom Aufstieg und Fall einer Nation, möglicherweise auch dem Ende einer Ära. Zu Zeiten der Industrialisierung bildete sich in den USA erstmals eine breite Mittelschicht, die selbstbewusst ihren Wohlstand zur Schau trug. Nach der Eröffnung der Ford-Automobilwerke im Jahre 1913 wurde Detroit bald zur Welthauptstadt der Automobilindustrie. Die Wirtschaft florierte, Wolkenkratzer schossen aus dem Boden, es entstanden Hotels, Kinos und schicke Vororte. Bis 1950 hatte die Stadt fast zwei Millionen Einwohner. Doch dann kam der fortwährende Abstieg. Die amerikanische Automobilindustrie verlor immer mehr an Bedeutung und mit jeder neuen Rezession verfiel die Stadt ein Stück mehr. Innerhalb von fünzig Jahren verlor die Detroit fast die Hälfte seiner Einwohner. In Downtown stehen riesige Wolkenkratzer leer. Ehemals prunkvolle Hotels, die nun verkommen, lassen den Reichtum von damals nur noch erahnen. In Kinos und Theatern, Orten an denen man einst das süße Leben feierte, ist die letzte Party schon lange vorbei. Aber auch Einrichtungen der öffentlichen Infrastruktur wie Polizeiwachen, Schulen, Bibliotheken und Kirchen schimmeln vor sich hin.
Die Räume auf den Fotow wirken, wie gerade eben verlassen. Plünderer haben sie verwüstet. Stühle liegen umher, Akten sind durchwühlt. Die Bilder erzählen von einer Zeit, die einmal war. Von Träumen und Glaubensgrundsätzen, die nicht von Dauer waren. Sie erinnern an Bilder von Tschernobyl oder Tauchfahrten zum Wrack der Titanic. Das besondere ist, dass „anders als in jeder anderen Stadt, die Ruinen in Detroit nicht isolierte Details im Stadtbild sind. Sie sind eine natürliche Komponente der Landschaft geworden.“ schreiben die beiden Fotografen.
Marchand und Meffre ist mit „Ruins Of Detroit“ eine beeindruckendes Zeitzeugenportrait über den Wandel der alten Industriestädte gelungen. Die Gebäude versinnbildlichen auf einzigartige Weise den Einfluss der Globalisierung und die kapitalistische Logik, deren spekulationsgetriebene Zukunftseuphorie den amerikanischen Traum formt. Zuerst folgten der Euphorie Arbeitsplätze und Wohlstand nach Detroit. Danach verließen Arbeitsplätze und Menschen die Industriemetropole wieder, nachdem deutlich wurde, dass sich woanders schneller mehr Geld verdienen läßt. Aus diesem Grund sind die Runien von Detroit wahre Denkmäler, die an eine Epoche des Kapitalismus erinnern, in denen die USA und Europa noch den Ton angaben. Die beiden Fotografen schreiben: „Detroit präsentiert alle Prototypen amerikanischer Gebäude in einem Stadium der Mumifikation. Seine herausragenden, veralteten Monumente stehen für nicht weniger, als die ägyptischen Pyramiden, das Colloseum in Rom oder die Akropolis von Athen – Überbleibsel eines großen Imperiums.“
Die Fotografien aus der Sammlung „The Ruins Of Detroit“ sind erschienen bei Steidl, 228 Seiten, 89 Euro
(Fotos: Yves Marchand und Romain Meffre)