Viele haben den neuen Scorsese-Film schon sehnsüchtig erwartet, weil er anders zu sein verspricht: kein Blut fließt dort, höchstens Tränen. Der vielfach preisgekrönte Regisseur hatte sich vorgenommen, einen Film zu drehen, der Kinder wie auch Erwachsene gleichermaßen faszinieren soll. Und der komplett in 3D aufgenommen ist.
„Hugo Cabret“ beruht auf dem Kinderbuch „Die Entdeckung des Hugo Cabret“ von Brian Selznick und ist eine Geschichte über die Geburtsstunde des Kinos vor 120 Jahren. Hauptfigur ist der 12-jährige Hugo Cabret (Asa Butterfield), der nach dem Tod seines Vaters (Jude Law) ganz auf sich allein gestellt im Pariser Bahnhof Montparnasse haust und Uhren repariert. Das einzige Erbe seines Vaters ist ein Automaton, eine mechanische Puppe. Verzweifelt versucht er sie zum Leben zu erwecken, doch dazu fehlt ihm eine wesentliche Sache: ein Schlüssel in Herzform. Doch Hugo gibt nicht auf und findet schließlich mit Hilfe von Isabelle (Chloé Grace Moretz) heraus, welches großartige Geheimnis hinter der Maschine steckt.
Spätestens bei der Erwähnung der mechanischen Puppe müsste Filmkennern das Herz höher schlagen, denn natürlich erinnert der Automat sehr an den Maschinenmensch in Fritz Langs „Metropolis“. Außerdem ist der Bahnhof von Montparnasse eng in Verbindung mit George Méliès zu bringen, dem Meister des Filmtricks. Folgerichtig setzt Martin Scorsese filmische Zitate ein und zeigt Schnipsel von Originalwerken Méliès, aber auch die berühmte Szene, in der Komiker Harold Clayton Lloyd am Zeiger einer Uhr hängt. Natürlich erwähnt Scorsese auch die Gebrüder Lumière, die in einem Pariser Café die Einfahrt eines Zuges so realistisch auf der Leinwand zeigten, dass viele Besucher vor der vermeintlichen Gefahr flohen. Auch Hugo Cabret träumt von so einem Zug, im Verlauf des Films wird die Szene aufgegriffen und in bewegten Bildern nacherzählt.
Immer wieder schafft Scorsese Raum für kleine Geschichten und gibt ihnen Zeit, sich nach und nach zu entwickeln. „Borat“-Darsteller Sacha Baron Cohen übernimmt den etwas zu überzogenen Part als schurkischer Stationsvorsteher. Weitere bekannte Gesichter in den Nebenrollen sind unter anderem Ben Kingsley, Christopher Lee und Emily Mortimer.
Doch muss es unbedingt 3D sein? Ja, es muss. Nicht immer hat 3D eine Berechtigung – bei „Hugo“ aber schon. Sehr geschickt weiß Scorsese mit den Möglichkeiten der Technik umzugehen, lässt Räume weiter erscheinen und Dinge mächtiger. Besonders bemerkenswert ist beispielsweise das goldene Lichtspiel in Hugos kleinem Reich und der unvergleichliche Blick auf das geschäftige Paris – alles dort funktioniert wie ein Uhrwerk, in dem jeder seine Aufgabe hat. Bis zuletzt glaubt auch Hugo an seine Bestimmung, das Geheimnis hinter dem Automaton zu entschlüsseln, und gewinnt damit viel mehr als er sich erträumt hat. Auch Scorsese ist ein bisschen wie Hugo – hat er nicht etwas gewagt, was keiner von ihm geglaubt hätte? Er hat uns mit Hilfe eines Familienfilms die Faszination des Kinos wieder nähergebracht. Und ist aufgrund dieses Verdienstes für elf Oscars nominiert.
„Hugo Cabret“, USA 2011, Abenteuer/Literaturverfilmung, 3D, läuft seit dem 09.02. unter anderem im Alhambra, Berlin-Wedding, S/U-Bahn: Wedding; im Cineplex Titania, Berlin-Steglitz, S/U-Bahn: Walther-Schreiber-Platz; im Karli Muliplex Berlin-Neukölln, U-Bahn: Rathaus Neukölln.