Wahrscheinlich braucht man nach 10 Jahren Nachtleben auch mal eine Auszeit. Zumindest können viele Clubbesucher, die Wochenende für Wochenende fleißig tanzen gehen, das Bedürfnis nach etwas ruhigerer Musik für die Tage zwischen den Parties nachvollziehen. Eine Verschnaufpause für den berühmten MoDiMi-Durchhänger. Diese Lücke hat Ruede Hagelstein ausgefüllt. 2005 schaffte der gebürtige Rüdersdorfer in Berlin seinen Durchbruch als DJ und ist seit 2006 Resident im Watergate. Ende 2011 veröffentlichte er nun das erste mit seiner Band The Noblettes aufgenommene Album „Softpack“. Wo man eine Platte im Stil seiner Sets und Remixe erwartet hätte, bietet das Album Klaviertöne, sachte Akustikgitarren, Meeresrauschen und Vogelgezwitscher. Hol den Cabrio aus der Garage, wir fahren aufs Land!
Tatsächlich erlebt man „Softpack“ wie ein Ausflug Hagelsteins in Jazz- und Lounge-Musik. Er löst sich von Techno um ruhigere Klänge ertönen zu lassen. Der Rhythmus ist beständig und lädt zum Chillout ein. Dafür sind die Texte aussagekräftig: Ruede hat Fernweh. In dem Lied „Leaving The Center“ will er weg von seinem „normalen“ Leben, er wünscht gekidnappt zu werden und hofft auf eine Erlösung. Sehr melancholisch klingt auch der nächste Song „No Reality“. Leichte Trommeln begleiten die Liebesballade, zwischendurch ertönen Pan-Flöten und im Hintergrund sorgen Synthies für einen Retro-Sound, der einen Vinyl-Effekt produziert. In der Retro-Schiene geht es bei „Private“ weiter. Der Monolog einer Frauenstimme, die sich über Zeitmangel, Stress, zuviel Kaffee, zu wenig Schlaf beschwert, erinnert stark an einen Auszug aus Stéphane Pompougnacs „Hôtel Costes“. Fazit dieses sehr loungigen aber auch fast groovigen Songs: „If you run through life like a maniac, you’re gonna miss it.“, nimm die Zeit dein Leben zu genießen. Nach diesen ersten Liedern fühlt man sich trotz traurigem Beigeschmack nicht unwohl, denn sie gleiten ineinander und strahlen Schwerelosigkeit aus.
Weiter im Album geht es mit einer Mischung aus psychedelischem Jazz und elektronischer Weltmusik. Würde gut als Hintergrund für ein Szene-Café in Mitte geeignet sein, aber nicht nur. Der Track „Power“ vereint schönes Klavierspiel mit Kindergelächter und bereitet auf einen Höhepunkt des Albums vor: „Berlin“. Mit diesem Song bekommt der Hörer Ruedes Leidenschaft für die Hauptstadt vorgeführt. Ihre Straßen, ihr Lebensgefühl, ihre Vielfalt wird durch jazzige Blasinstrumente gut vermittelt. Wenn anfangs Zweifel bestanden, ob Ruede Hagelstein einfach genug von Berlin hat, werden sie hier beseitigt. Mit „Blue Straight“ zeigt der 32-Jährige sich zum Schluss nochmal von seiner minimalen, experimentelleren Seite.
Wer sich auf ruhigerem, Lounge-angehauchtem Terrain bewegt, droht oft banal oder eintönig rüberzukommen. Es ist schwierig, den Vergleich mit Café Del Mar oder ähnlichen zu umgehen, deren Markenzeichen Meeresrauschen auch hier auf „Softpack“ für Urlaubsfeeling sorgt. Aber warum sollte man Entspannen und Nachdenken verpönen? Die Verschnaufpause, die Ruede und seine Noblettes geschaffen haben, kann man sich gönnen.
Preview :
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Tracklist:
- A Priori
- Leaving The Center
- No Reality
- Private
- Emergency
- Posteriori
- Romance
- Power
- Berlin
- Blue Straight
- Good Night
(Souvenir)