Vladimir Karaleev – das ist Avantgarde und Unvollkommenheit zugleich. Deshalb wirkt es manchmal so, als könnten einige seiner Kreationen beim Tragen auseinanderfallen. Doch genau diese konzeptuelle Entschiedenheit macht den künstlerischen Wert seiner Arbeit aus. Bereits letztes Jahr waren wir bei seinen Modenschauen und interviewten den Designer backstage: Den Bericht im Winter 2011 findest Du hier, den Artikel zur Schau im Sommer hier.
Seine neue Kollektion unter dem Titel „Complex Overlay“ umspielt weitgeschnitten und in kunstvollen Drapierungen den weiblichen Körper. Ecken und Kanten und eine extreme Asymmetrie, für die Karaleev bereits bekannt ist, sind auch wieder an vielen Stücken zu sehen. Dieses Jahr überrascht der bulgarische Designer mit einer langsamen und konzeptuellen Präsentation seiner Teile, die von anfänglichen dunklen Schwarz- und Blautönen über Beige zu Sonnengelb und Weiß wechselt. Auch zu sehen: Safran, Orange und Kobaltblau.
Karaleevs „Mehrschichtenlook“ entsteht durch Unterkleider und Unterhemden, die oft mit Rollkragen ausgestattet sind. Insbesondere spielerisch geht er mit dem Prinzip der Schichtung um, wenn er bei einem schwarzen Mantel vorne den Wollstoff in Hüfthöhe abschneidet, sodass das Unterfutter zu sehen ist. Auch Transparenz spielt eine Rolle, aber nicht als erotisches Element. Wenn er bodenlange Kleider mit durchsichtigen Ärmeln ausstattet, geht es vielmehr darum, Bereiche des Körpers ästhetisch voneinander abzugrenzen. Eine weitere Besonderheit im Zusammenhang mit den Ärmeln im Winter 2012/13 ist die stoffliche und formsprachlich klare Abgrenzung von Unter- und Oberarmpartien. Oft sind an den Unterarmen knallenge Ärmelversionen beispielsweise aus Stretchstoff oder in Lederoptik zu sehen, während der Bereich ab dem Ellenbogen zur Schulter voluminöser ausfällt. An vielen Kreationen ziert zudem ein breiter Gummibund den Saum, so zu sehen als Hosenbund oder am Saum von an Trainingsjacken angelehnte Blazer.
Manche werden die Kombination von Rollkragen zu weitem Schnitt und bodenlangen Röcken als etwas spießig empfinden. Fast scheint es so, als hätte jemand ein Lineal angelegt und darauf geachtet, dass die Säume der Beinbekleidung konstant unter dem Knie enden. Aber wieso nicht? Kunst hat sich nicht vor den Prinzipien der Sexyness zu rechtfertigen, die ja auch immer eine Frage der Einstellung ist. Und die stimmt bei Karaleev.
Fotos: Dani Doege