Kvitnu ist ein kleines ukrainisches Label, das sich der elektronischen Musik der experimentellen Art mit Einflüssen von IDM und Industrial verschrieben hat. Hatte es sich vorgenommen, vorerst Künstlern des eigenen Landes eine Plattform zu geben, wagte es dann doch einen Blick über die Landesgrenzen hinaus; eine gute Idee, denn das italienische Duo Plaster, das Kvitnu seit Anfang 2011 unter Vertrag hat, reiht sich perfekt in das Konzept des Labels ein. Nach dem Minialbum „Zyprex 500“ kam Ende des vergangenen Jahres „Platforms“ heraus, ein Album, dass einem mit Leichtigkeit ein „Wahnsinn!“ entlockt. Die acht Downtempo-Tracks sind allesamt dunkel und minimalistisch gehalten, ohne wirklich zu deprimieren. Eher kommt das Album ruhig, fast statisch daher, und entwickelt dennoch eine Intensität, der man sich kaum entziehen kann.
Emotionalität und Wärme einer Melodie sucht man in den Tracks vergebens, meist dominieren Brummen, Rauschen, mit Hall unterlegtes Knistern und Fiepen die Musik. Der Gedanke an vertonter, rhythmisch zerlegter und präzise wieder zusammengesetzter Elektrizität kommt auf, es ist, als wären Field Recordings eines Hochspannungsfeldes die Hauptquelle für die Sounds gewesen. Nur der Track „Intersection“ enthält melodiöse Schnipsel und ist ein emotionaler, wenn auch zurückhaltender Mittelpunkt des Albums. Auch der menschlichen Stimme ist kaum Raum gegeben, die einzige Ausnahme verdeutlicht die anspruchsvolle Produktionsweise der beiden Musiker aus Rom: In „Double Connection“ verwenden sie Auszüge aus Eckart Tolles Esoterikbestseller „Jetzt – die Kraft der Gegenwart“, die sie auf französisch flüstern lassen und zerstückeln und verzerren sie anschließend bis zur Unkenntlichkeit.
„Platforms“ lässt sich nicht eindeutig einer bestimmten stilistischen Richtung zuordnen. „Component“ und „Structure“ erinnern mit ihren Industrial-Anleihen an die Spätphase der Nine Inch Nails. Bei „Iperstatic“ und dem grellen „Trasversal“ wiederum ist eine Nähe zu Produktionen aus dem Hause Raster-Noton nicht von der Hand zu weisen. Und doch kann man nicht einfach von einem weiteren verkopft frickeligen Album sprechen, denn es kommen auch Ambientelemente zum Einsatz, die zwar spärlich, dafür aber so gekonnt gesetzt sind, dass sie einigen Stücke eine stark atmosphärische Note verleihen. Seien es die bereits erwähnten melodischen Schnipsel in „Intersection“, mehr noch zeigt sich dies aber im gewaltigen wie großartigen „Rearline“: Offensiv, treibend und fast aufdringlich am Anfang, legt sich in der zweiten Hälfte der Ambientsynthie wie eine Decke darüber und lässt den Track warm und weich ausklingen.
Ein beeindruckendes Debüt haben Plaster geschaffen. Es ist anspruchsvoll und voller Details, bleibt aber dennoch zugänglich und entläßt trotz der Düsternis mit einer optimistischen, ausgeglichenen Stimmung. Der Nachfolger dazu wurde bereits angekündigt, wir sind gespannt darauf.
Preview :
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Tracklist:
- Parallel Segment
- Component
- Structure
- Iperstatic
- Intersection
- Double Connection
- Rearline
- Trasversal