Nazi-Vergleich: Bundespräsident bringt Facebook-Nutzer vor Gericht

Wer auf Facebook spöttische Kommentare zu Fotos von Bundespräsident Christian Wulff und Frau abgibt, könnte vor Gericht landen. Diese Erfahrung macht gerade Facebook-Nutzer Jörg D. aus Zittau. Er stellte Ende 2010 ein Foto auf seine Pinnwand, das den Bundespräsident und Ehefrau in ungünstiger Pose vor dem Schloß Bellevue zeigte.

Ob Montage oder ungünstige Momentaufnahme: Es wirkt so als habe das präsidiale Paar die Arme zum Hitler-Gruß erhoben. Jörg D. kommentierte das mit dem Spruch: „…fehlt nur noch das Schiffchen auf den Kopf der Dame und schon haben wir ein Blitzmädel im Afrikaeinsatz. hübsch – wenn dieser Herr daneben nicht wäre.“ Blitzmädchen war die umgangssprachliche Bezeichnung für Frauen, die in der Nazi-Wehrmacht militärische Hilfsdienste leisteten.

Aufgrund des Kommentars zeigt Dezember 2010 ein Nutzer aus Hannover Jörg D. wegen “Verunglimpfung des Bundespräsidenten” an, ein Delikt, das im Strafgesetzbuch im Abschnitt “Gefährdung des Rechtsstaats” steht. Das Bundespräsidialamt muss den Ermittlungen zustimmen und gibt sein „OK“. Die Staatsanwaltschaft Dresden klagt nun Jörg D. vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden an, am 11.1.2012 ist Verhandlung. Im Fall einer Verurteilung könnte der Angeklagte im Gerichtsverfahren im schlimmsten Fall eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren verurteilt werden. Weil er aber nicht einschlägig vorbestraft ist, könnte es bei einer niedrigen vierstelligen Geldstrafe bleiben, sagt sein Anwalt Torsten Mengel auf unsere Anfrage.

Ein peinliches Bild und ein witzelnder Kommentar mit historischer Anspielung – so etwas fällt eigentlich unter Satire. Warum läßt der Bundespräsident dann einen Facebook-Nutzer vor Gericht stellen? Das Foto kursiert seit 2010 im Netz, wird vor allem innerhalb der rechtsradikalen Szene herumgereicht. Der Neonazi-Liedermacher Frank Rennicke stellte wegen ihm Strafanzeige wegen des “Verwendens verfassungswidriger Symbole” gegen Bettina Wulff, mit der sich die Staatsanwaltschaft Berlin nicht weiter beschäftigen wollte (Artikel bei Publikative).

Jörg D. habe mit der NPD nichts zu tun, versichert uns sein Anwalt: er sei „konservativ“ und distanziere sich von der rechtsextremen Partei. In Zittau betätige er sich politisch in der Kleinstpartei EID, welche den Euro ablehnt. Dass die Verleumdungsklage nun gerade seinen Mandanten erwischt hat, kann sich der Vertreter des Angeklagten nicht so recht erklären.

Denn das Bild ist auf vielen Internetseiten zu sehen –  und wird dort oft spottend und polemisch kommentiert. Über Google läßt es sich einfach finden. Die Öffentlichkeit für die Verlautbarungen des Angeklagten Jörg D. ist hingegen überschaubar: auf Facebook zählte er im Dezember 2010 rund 232 Freunde, die Seite seiner Partei EID hat derzeit gerademal 300 Fans.