Canyons – Keep Your Dreams

Canyons, was könnte das wohl für eine Band sein sein? Allein aus dem Namen wird man nicht sonderlich schlau. Das Cover und der Titel des Debütalbums der beiden Jungs aus Sidney lassen da schon eher Vermutungen hochkommen. Und tatsächlich, die weichgezeichnete, analoge Retro-Ästhetik und die Androgynie der Coverperson fassen sehr treffend zusammen, was gleich kommen wird. Canyons machen verträumten, extrem reminiszenten und einigermaßen überdrehten Synthpop, der kein Klischee der frühen elektronischen Tanzmusik auslässt. Von Kitsch auf Trash zu schließen, ist sowieso meistens falsch, aber hier zeigt sich auch warum. Canyons wissen sehr genau, was sie tun und legen ein Selbstbewusstsein an den Tag, das man sich so nur öfter wünschen kann. „Keep Your Dreams“ heißt ihr Erstlingswerk und wurde auf Modular Recordings herausgebracht.

Nach eineinhalb Minuten Intro aus Synthie-Gefitzel geht das Feuerwerk los. „Under A Blue Sky“ hat alles, was ein Retro-Dance-Track braucht und man wird beim ersten Hören von einem Kopfschütteln ins nächste gestürzt. Was für ein Opener! Angezerrte Roland-Drumsounds, ein eiskalter Slapbass und Vogelgezwitscher-Atmosphären lassen wenig Zeit zum Überlegen. Dann geht es richtig los. Der heruntergepitchte französische Sprechgesang wird erst vom himmelhoch jaulenden Saxophon in den Schatten gestellt. Respekt! Die beiden Herren lassen fadenscheinige Argumente der „künstlerischen Integrität“ einfach mal aus und haben Spaß. Mir gefällt das.

Chicago-House wird um das Prädikat „Post-“ erweitert und entsprechend modern aufbereitet. Post-Acid, Post-Punk, Post-Pop -, Post-Everything. Egal, Hauptsache 1980ies und „Keep Your Dreams“. So denkt man bei „My Rescue“ unweigerlich an „Rescue“ von Echo & The Bunnymen, nicht bloß wegen des Titels. Bis einen das pornöse Saxophon unsanft wieder in die verkorkste Realität zurückholt. Heinz Strunk würde wahrscheinlich von der „Rotzkanne“ sprechen. Man muss jedoch aufpassen, dass man die Platte deshalb nicht absichtlich falsch versteht. Ohne das Saxofon wäre das Album bei weitem nicht so gut. Denn mit Klischees kann nur gebrochen werden, wenn sie aufgearbeitet und dadurch ad absurdum geführt werden.

Jedoch ist nicht alles bei den Canyons bloße Ironie und Drüberstehertum mit doppeltem Boden. „Blue Snakes“ ist ein absolut feiner Track der düsteren Sorte. Nicht einmal das Saxophon wirkt hier ironisch plaziert. Überhaupt wandeln sich die Jungs in der zweiten Hälfte des Albums noch einmal und schreiben lupenreine Popsongs, die man schon vor dem Hören auswendig zu kennen glaubt. „It’s funny how time can change your mind / Sometimes the rain can make it fine / Other days it takes a mountain to see / What stands for love is right in front of me“. Derartig beliebige Zeilen trotten üblicherweise nur aus den Lautsprechern eines fremden Autoradios behäbig durch die stickige Fahrgastzelle, um schließlich ohne Wiederhall an den geschlossenen Fenstern vor der kontrastfreien Landschaft zu zerplatzen. Doch genau so darf Pop sein. Alles Klischee, alles in Ordnung.

Man muss sich nichts vormachen. „Keep Your Dreams“ ist ein hervorragendes Album, das gehört werden sollte. Die Klischees funktionieren genau deshalb so gut, weil hier sehr intelligente Produzenten am Werk sind. Jedes ausgelutschte Element, jedes No-Go wird wunderbar leichtgängig und mit viel Sinn für’s Detail in die Platte eingearbeitet. Jedes Kopfschütteln löst sich in so in Wohlgefallen auf. Man mag auf die vielen „Do It Agains“ und „Get Ups“ nicht jeden Tag Lust haben, aber einmal angefixt lässt einen die Platte nur schwer wieder los. Die nächste und die übernächste 1980er-Party kommen ja auch bestimmt.

Preview:

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Tracklist:

  1. Circadia
  2. Under A Blue Sky
  3. My Rescue
  4. See Blind Through
  5. Sun And Moon
  6.  The Bridge
  7. Blue Snakes
  8.  Tonight
  9. When I See you Again
  10. And We Dance
  11. Land In Between