Die Stadt Berlin und zwei aus Hip Hop und TV bekannte Skandal-Rapper – das ist ein scheinbar sicheres Konzept für einen Kinofilm aus Deutschland, der die Kassen klingeln läßt. Da scheint es vorprogrammiert, die Geschichte so aufzuziehen, wie es bereits andere Filme aus dem Hip Hop-Milieu vorgemacht haben: als Drama. Bereits zurückliegendes Filmschaffen mit dem US-amerikanischen Rapper Eminem kann als Blaupause dienen.
Gleich zu Beginn scheinen die Battle-Szenen auf der Bühne im Clubkeller einen arg vorhersehbaren Film zu eröffnen. Doch Regisseur Özgür Yildirim bricht mit Konventionen des Hip Hop-Dramas und setzt bei „Blutzbrüdaz“ auf Happy End und überwiegend komische Momente. Wie auch sein Debüt „Chiko“ handelt auch der zweite Film des Regisseurs vom Aufstieg zweier Jungs aus ärmlichen Verhältnissen. Aber während den Protagonisten von „Chiko“ das Hamburger Drogenmilieu die Verheißung auf ein besseres Leben bietet, ist es im neuen Film die Berliner Hip Hop-Szene. Der vorerst einzig offensichtliche Unterschied sind Ort und Subkultur.
Sido und B-Tight gehen als dicke Freunde durch’s Leben. Nichts lässt die Jungs ihr Zweiergespann anzweifeln. Um den nervigen finanziellen Problemen beizukommen, wollen sie mit einer Musikkarriere endlich durchstarten. Doch schnell wird klar, dass die Zusammenarbeit mit einem großen Musikunternehmen einiges an Reibungspunkten bietet. Doch einmal Blut geleckt, steigt der Ruhm einem der beiden zu Kopf und gefährdet das, was das Duo bisher zusammengehalten hat: Freundschaft.
Natürlich ist der Film fiktiv. Jedoch weist der Protagonist Otis auffällige Parallelen zu Sidos Werdegang auf. Kindheit und Jugend im Märkischen Viertel – dem Hochhausghetto in Berlin-Reinickendorf – motivieren Sido, seine Musik zum Beruf zu machen. Das Label Aggro Berlin hat Sido und B-Tight seit den Anfängen unter Vertrag. Und genau wie im Film, steht auch Sido im wirklichen Leben vor Entscheidungen, die über den Erfolg entscheiden. Entweder er pfeift auf Authenzität, läßt sich mit der Musikindustrie ein und scheffelt Kohle für die Familie. Oder er macht sein Ding und fechtet einen harten Kampf um’s Überleben. Dieser typische Konflikt in der Musikbranche ist zentraler Dreh- und Angelpunkt und bietet Nährboden für alle weiteren Auseinandersetzungen. Sidos Tätigkeit als Juror in der Casting-Show „Popstars“ war so ein großer Schritt in die kommerzielle Richtung. Ob seine alten Schulfreunde aus dem Märkischen Viertel noch so eine Aktion akzeptieren – das ist ungewiss.
Der Film soll auf keinen Fall Sidos Karriere spiegeln. Aufgegriffen wird jedoch der Zeitgeist in der Berliner Hip Hop-Szene um das Jahr 2000 herum. „Um diese Zeit hatte Hip Hop noch eine gewisse Ideologie“, erinnern sich Sido und B-Tight im Gespräch mit BLN.FM. Damals sei es noch um die „eine Sache“ gegangen, nämlich um HipHop an sich – und nicht um dicke Autos, schöne Frauen und viel Kohle.
Der Film kalkuliert mit der Verschränkung des Filmhelden mit dem bekannten Popstar Sido, der seine Karriere als maskierter Gangsta-Rapper begann. Berlin war somit auch als Drehort unabdingbar, nicht zuletzt um glaubhaft die Herkunft des Hip Hop-Stars zu thematisieren. Auch der Tresor taucht als Kulisse auf – ein Ort, in dem sich die Jungs übrigens auch außerhalb des Drehs wochenends gerne aufhalten.
„In erster Linie wollten wir einen Musikfilm machen!“ wiederholt Sido im Interview mehrmals und mit Nachdruck. Verständlich, denn der Film erinnert doch stark an eine Komödie von Till Schweiger. Angenehm-plätschernde Unterhaltung für jeden, der sich gern die mal die Abenteuer eines Hip Hop-Jungen anzuschauen will. Da bleibt auch Fans von bekannten Genrestücken wie Eminems „8 Mile“ oder 50 Cents „Get Rich Or Die Tryin‘ “ das Lachen nicht verwehrt.
Blutzbrüdaz, Musikfilm/Komödie, Deutschland 2011, 1Std. 27Min., ab 29.12.11 in allen großen Berliner Kinos
Das BLN.FM-Interview mit Sido:
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