Scratch Massive – Nuit de Rêve

Scratch Massive - Nuit de rêve - CoverWenn’s nicht vorwärts geht, dann nur rückwärts. Diese recht abgedroschene Phrase haben die beiden Franzosen von Scratch Massive ganz neu für sich entdeckt. Wurde im Jahre 2003 das Debüt von Maud Gefray und Sebastien Chenaut als herkömmliches Rockalbum wahrgenommen, engagierten sie vier Jahre später die deutsche Techno-Größe Moritz von Oswald als Produzenten für „Time“. In dem zweiten, elektronischeren Album manifestiert sich bereits Scratch Massives Hang zu opulenten Synthesizer-Kompositionen. Auf ihrem nun erschienenen dritten Longplayer „Nuit de Rêve“ gehen sie diesen Weg unbeirrt weiter.

Es dauert kaum mehr als fünf Sekunden, bis man Bilder aus längst vergangenen Tagen wieder vor sich hat: Irgendwas zwischen „Knight Rider“ und „Miami Vice“. Mehr 1980er als auf „Nuit de Rêve“ geht eigentlich nicht: Wirken die Songs von Bands wie Hurts und The XX noch wie eine Hommage an jene Dekade, die trotz aller Anleihen fest in der Moderne verankert sind, so ist bei Scratch Massive wenig Weiterentwicklung des Sounds von früher herauszuhören. Das hat zur Folge, dass die musikalischen Möglichkeiten limitiert sind. Wer das nicht glaubt, muss sich nur dem Opener des Albums „Pleine Lune“ widmen: Fünf Minuten nostalgischer Elektropop ohne eigene Identität.

Wer sich jedoch davon nicht abschrecken lässt, der entdeckt in der Folge sogar einige wirklich interessante Kompositionen. Besonders, wenn es Scratch Massive schaffen, mit einer großen Portion Witz bei anderen Künstlern abzuschauen. „Take Me There“, die Kollaboration mit Jimmy Somerville, treibt musikalisch zwischen Hercules & Love Affair und A-Ha. „Paris“ wächst dank Unterstützung des GusGus-Mitglieds Daniel Agust mit der Zeit ins Unermessliche. Am Ende glaubt man ein gedrosseltes „Not in Love“ von Crystal Castles zu erkennen. Es ist einer der spärlichen Momente, an dem Scratch Massive einmal wie eine Band aus dem 21. Jahrhundert wirken.

Ein weiterer Höhepunkt des Albums ist „Break Away“. Besonders Melodie und Basslauf sind sehr dicht an „Kids“ von MGMT angelehnt. Und trotzdem entwickelt das Lied eine erfreuliche Eigenständigkeit. Bloß schade, dass Gefray und Chenaut diesen Eindruck nicht über das gesamte Album hochhalten können. Abgesehen von „Closer“ hat man in der zweiten Hälfte stets das Gefühl, Songs schon tausendmal gehört zu haben. Vangelis und der frühe Gary Numan waren ganz offensichtlich Inspirationsquellen. Viel Eigenes haben Scratch Massive nicht entwickelt, was die Freude an den – ohne Frage – drei, vier wirklich starken, düsteren Songs auf diesem Album erheblich schmälert.

Dass Stillstand Rückschritt bedeutet, wurde schon auf viele Arten bewiesen. Ob ein beabsichtigter Rückschritt – oder besser: Rückblick – Fortschritt für das musikalische Schaffen von Scratch Massive bewirkt hat, kann man nach dem Hören von „Nuit de Rêve“ nur eingeschränkt bejahen.

Preview:

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Tracklist:

  1. Pleine Lune
  2. Waiting For A Sign feat. Koudlam
  3. Take Me There feat. Jimmy Somerville
  4. Break Away
  5. Paris feat. Daniel Agust (Gus Gus)
  6. Golden Dreams
  7. Closer feat. Chloe
  8. Nuit De Mes Rêves
  9. Follow Me
  10. Secrets