Pyrographie, auch Brandmalerei genannt, ist eine traditionelle Volkskunst, bei der ursprünglich mit glühenden Metallstiften, heute mit elektrischen Brennstiften, Materialien wie Holz und Leder mit Mustern verziert werden. Es erinnert an Werkunterricht, Weihnachtsgeschenke für Mutti und Vati und Schilder mit Sprüchen wie „Gottes Auge halte wach in diesem Hause Tag und Nacht“- purer Kitsch!
Mit diesem Vorurteil spielt das Künstlerduo Jarmila Mitríková und Dávid Demjanovič aus Bratislava. Sie wurden jüngst für ihre Holzbrandmalerei mit dem ersten Preis für das Gemälde des Jahres 2011 im slowakischen Kunstwettbewerb VUB Mal’ba ausgezeichnet. Denn was oberflächlich wie Touristenkitsch aus den ehemaligen Ostblockstaaten aussieht, gewinnt bei näherer Betrachtung an Reiz – und zwar durch die Widerspruch zwischen Material und Botschaft. Das Künstlerpaar nutzt mit der Brandmalerei ein Handwerk der traditionellen Volkskunst ihres Heimatlandes als ein künstlerischen Mittel der Gegenwart.
In den imaginären Landschaften gilt sozialistische Architektur ästhetisch genauso wie Volkstümlichkeit. Vergangene und gegenwärtige Kult- und Religionsrituale werden auf morbide Weise miteinander verbunden: Eine katholische Prozession mit Bärenskelett als Monster und Opfer? Ein volkstümlicher Chor mit Totenköpfen anstatt lebender Gesichter? In der „Procession Masks Series“ etwa stellt die absurde Verbindung katholischer Requisiten mit slowakischer Volkskunst unsere gesellschaftlichen und religiösen Weltvorstellungen in Frage.
Mitríková und Demjanovič spielen mit Gegensätzen: Nostalgie und historische Rückgewandtheit stehen den Irrungen und Wirrungen unserer modernen Gesellschaft gegenüber, wobei viel Kirchenkritik und Ironie, wenn nicht gar Sarkasmus, mitschwingen. Wirklichkeit und Erfundenes werden Teil eines Ganzen. Es bleibt viel Interpretationsspielraum bei der Frage, wo unsere Gesellschaft heute steht und wie unsere Welt in Zukunft aussehen wird.Viel klarer beantwortet der Däne Frank Busk diese Frage mit seinen Linol-und Holzdrucken aus der Serie „Future Archeology“: In plakativ-bunten Farben werden Szenarien eines Überwachungsstaates gezeichnet, die Invasion der CO2-Monster in comic-quietschiger Sprache prognostiziert. Klimaerwärmung, Überwachungsstaat, Krieg und Weltuntergang – das sind Themen, die schon zu oft angeschlagen wurden. Die konfusen Drucke Busks, wenn auch graphisch und visuell ausgezeichnete Arbeiten, langweilen inhaltlich. Es mangelt ihnen schlicht und ergreifend an Einfallsreichtum.
Die Ausstellung kombiniert Vision mit Tradition, wobei die postkartenähnlichen Brandmalereien Mitríkovás und Demjanovičs mit ihrer herrlichen Ambivalenz und Neuartigkeit einen interessanten Ausblick ermöglichen.
(Fotos: (c) 2011 Galerie Kuchling)
„Visions & Traditions“ mit Jarmila Mitríková, Dávid Demjanovič und Frank Busk – bis zum 27. Januar 2012 in der Galerie Kuchling, Prenzlauer Allee 188, Berlin- Prenzlauer Berg, Straßenbahn: Prenzlauer Allee/ Danziger Straße, geöffnet Montag bis Freitag 14-19 Uhr, Samstag 11-19 Uhr, Eintritt frei