Powerpoint statt Powerbass

Science Slam im SO36Ein Phänomen macht sich breit in Berliner Veranstaltungsorten: Dort, wo sonst gefeiert wird, wo tätowierte Bands die Bühne belagern und sich DJs hinter ihren Pulten verschanzen, entern nun auf den ersten Blick etwas dröge wirkende Gestalten die Arena. Ausgestattet mit beängstigend wirkendem, über Jahre angesammelten wissenschaftlichten Fachwissen treten sie an, sich im direkten Wettstreit miteinander zu messen.

Auch in Berlin erfreut sich diese Art des Entertainments immer größerer Beliebtheit. In Berlin veranstaltete Gregor Büning den ersten „Science Slam“ im Februar 2010. Büning mag Poetry Slams und interessiert sich für Wissenschaft – der „Science Slam“ kombiniert beides. Schon nach wenigen Ausgaben zog die Veranstaltung aufgrund der starken Resonanz vom Edelweiss in das größere SO36 nach Kreuzberg um. Warum die Veranstaltungen so gut laufen? Gregor Büning meint, dass viele Leute sich für Informationen aus der Wissenschaft interessieren, wenn sie leicht verständlich aufbereitet sind und nicht langweilen. Die Teilnehmer an den Science Slams richten sich genau darauf ein: Sie bekommen ein spezielles Training für die Veranstaltung, die ihnen letztlich ein Publikum verschafft, das sie in wissenschaftlichen Zeitschriften oder Fachtagungen wohl kaum erreichen würden. Umgekehrt ist auch die Verteidigung einer Doktorarbeit mit Bühnenerfahrung viel besser zu meistern. Noch gibt es aber kein spezielles Auswahlverfahren für die Teilnahme, denn die Zahl der mutigen Wissenschaftler, die ihr Bühnentalent entdecken wollen, ist bislang überschaubar.

Doch die Veranstaltungen sprechen sich rum. Letzes Jahr im Dezember hatte sich schon eine Stunde vor Beginn des Battles eine lange Schlange vor dem Einlass gebildet. Drinnen ging’s zu wie beim Tetris – nur mit Menschen statt mit Quadern. Das Publikum ließ sich auf dem Boden nieder, der Andrang war so groß, dass der Saal bis zum letzten Quadratzentimeter gefüllt war. Angetreten in der Wissensschlacht waren vier Kandidaten und eine Kandidatin. Um das Publikum mit ihren wissenschaftlichlichen Erkenntnisse in ihren Bann zu ziehen, waren jeweils zehn Minuten angesetzt. Unter anderem referierte der Biochemiker Bernd Lepenies mit Powerpoint-Unterstützung „Von (Malaria-)Mäusen und Menschen“; Robert Kretschmer klärte über die „Chemie des Verlassenwerdens“ auf und verglich Trennungsprozesse beim Sex zwischen Menschen mit chemischen Reaktionen bei Molekülen.

Am Ende jedes Beitrags wird mittels moderner Schallmessung über fünfzehn Sekunden ermittelt, welcher Slam den lautesten Applaus erntet. Im Dezember war Jannis Bandorski vom Institut für Wirtschaftsethik der Uni St. Gallen der Sieger. Er verglich psychologische Untersuchungen von Menschen und Mäusen, um zu beweisen, dass Sex, Chillen mit Freunden und Essen – ganz im Gegensatz zum Arbeiten – die glückbringendsten Faktoren im Leben sind. Auf dieser Grundlage plädierte er dann für eine integrative Unternehmensethik. Der Sieg bracht Jannis ein Paar Boxhandschuhe ein – falls doch einmal die wissenschaftlichen Argumente ausbleiben.

Die nächste Science Slam findet um 19 Uhr am 5.3.2012 im SO36 statt.