Wir tanzen im Viereck

Porträt beim Dill Festival 1981Sie ist überall. Im Radio, im Fernsehen, im Netz, in Clubs, in Konzerthallen, in Kirchen, auf unseren Gadgets. Wir hören sie zu Hause in der Badewanne oder unterwegs im Zug. Ein Leben ohne Musik? Unvorstellbar. Wie aber ist das mit den anderen Künsten? Sind die auch so abhängig von Musik? Oder funktioniert Performance-, Installations- und Videokunst gar ohne sie?

Natürlich nicht, behauptet die Ausstellung „Let The Rhythm Hit ‚Em“, die noch bis zum 15. Januar 2012 im Kunstraum Kreuzberg im Bethanien zu sehen ist. Der Titel wurde kurzerhand vom gleichnamigen Album des Hip Hop-Duos Eric B. & Rakim entliehen. Kurator Matthias Mayer zeigt hier in Form von Video-, Performance- und Installationskunst so ziemlich alles, was von und mit Musik lebt. Neben jungen Künstlern holte dafür er mit Die Tödliche Doris auch Legenden der 80er-Jahre ins Boot.

Drei Mitschnitte zeigen denkwürdige Performances des Hamburger Künstlertrios, das in den 1980er Jahren mit skurrilen Klangexperimenten schockte, in denen sie Sprechgesang und Ausdruckstanz vereinten. Dabei griffen sie zu unterschiedlichsten Instrumenten, rezitierten scheinbar zusammenhanglose Phrasen und tanzten, krochen oder rollten über die Bühne. Sie selbst betitelten sich als „Geniale Dilettanten“ und grenzten sich bewusst von damaligen Strömungen wie Punk oder New Wave ab. So ist ihr Protest zwar ein lauter, aber keiner, der Probleme klar formuliert. Statt dessen setzen sie aus dem Zusammenhang gerissene Floskeln in einen neuen Kontext. Frei nach dem Motto: Alles ist banal und doch bedeutend.

Die Installation "Rock is my life and this is my song"Neben solchen Klassikern scheinen andere Arbeiten dann in der Tat banal. Von dem Revolutionären ist in der jüngeren Kunst nicht viel übrig geblieben. Der Drang etwas Neues und Skurriles zu schaffen, scheint abgenommen zu haben. Nette Ideen gibt es selbstverständlich immer wieder wie zum Beispiel Jakob Jensens Installation “Rock Is My Life And This Is My Song”. Ein Modellberg steht auf einem Plattenspieler und lässt die Nadel immer an die selbe Stelle zurückspringen, sodass die titelgebende Zeile in Dauerschleife gespielt wird. So richtig faszinieren kann das aber nicht.

Am ehesten schafft das noch der britische Videokünstler David Blandy. Er filmt sich selbst in der Londoner U-Bahn, wie er zur Musik des Wu Tang Clans die Lippen bewegt. Dabei trägt er statt Baggypants und Basecap schwarzgerahmte Nerd-Gläser und Mittelscheitel. So bricht er mit den typischen Klischees der Selbstinszenierung auf YouTube, ohne dabei die nötige Selbstironie vermissen zu lassen.

Die Musik als Leitmotiv taucht in den Exponaten auf verschiedene Weisen auf: als Alltagsgegenstand, als Protestform oder gar als reiner Selbstzweck. Sie ist Untermalung, Anlass zum Videodreh oder auch nur Hintergrundrauschen. Ergebnis ist ein facettenreiches Mosaik, zusammengesetzt aus brillianten und weniger brillianten Steinen. Ein Besuch lohnt sich trotzdem, vor allem für diejenigen, die an junger Videokunst interessiert sind.

Kunstraum Kreuzberg/ Bethanien, Mariannenplatz 2, Berlin-Kreuzberg, U-Bahn: Kottbusser Tor. Öffnungszeiten: täglich 12-19h. Eintritt frei.