Alles dreht sich um: „Das Ding“

Szene aus "Das Ding" im Deutschen Theater, Foto von Arno Declair

„Das Ding“ ist eine Baumwollfluse. Sie wird in Afrika gepflückt, in China gezupft, zu Garn versponnen, zum Fußballtrikot vernäht. Nachdem sie durch die Straßen Europas getragen worden ist, landet sie in der Altkleidersammlung und wird wieder nach Afrika verschifft.

Um die Menschen, die mit Baumwolle zu tun haben, geht es in der globalisierungskritischen Parabel von Philip Löhle, die zur Zeit in einer Inszenierung von Daniela Löffner in der Box des Deutschen Theaters aufgeführt wird. Der Entwicklungshelfer drängt den afrikanischen Baumwollbauern zum ökologischen Anbau. Dem armen Bauern ist es wichtiger, dass er und seine Familie versorgt sind. Der chinesische Jungunternehmer will die Baumwolle billig einkaufen und als Fußballtrikot gut weiterverkaufen. Und dann sind da auch die Konsumenten: die  Träger des Trikots in Deutschland, die auch eine wichtige Rolle spielen. Der Plot des Theaterstücks führt die einzelnen Personen zusammen. Auch wenn die Beschreibung der Produktionskette vereinfacht wurde, wird klar, dass in der globalisierten Welt alles miteinander zusammenhängt. Trifft einer der Charaktere eine Entscheidung, so hat das eine Auswirkung auf alle anderen.

Szene aus "Das Ding" im Deutschen Theater, Foto von Arno DeclairWer bei diesen Plot ein mit Zeigefinger erhobenes Lehrstück erwartet, liegt falsch. Der Parabel gelingt es die Verhaltensmuster der einzelnen Figuren hinter den Prozessen der Globalisierung auf ironische Weise darzulegen und enttarnt die Motivationen hinter diesen als naiv und oberflächlich. Da sind die chinesischen Jungunternehmer, die neben einigen anderen skurrilen Geschäftsmodellen ganz frisch ins Baumwollgeschäft eingestiegen sind, obwohl sie keine Ahnung davon haben. Das wichtigste für sie ist ein vollkommen überflüssiges, überteuertes Büro in zentraler Lage – schließlich kommt es bei Geschäftskontakten auf die gelungene Präsentation von Statussymbolen an. Oder da ist der Entwicklungshelfer: Nachdem klar wird, er sieht sich nicht schuldig am Ruin des afrikanischen Bauerns durch den ökologischen Baumwoll-Anbau, obwohl er ihn dazu geraten hat. Der kann halt seine Hilfe nicht richtig annehmen! Damit steht der Entwicklungshelfer für wohlmeinende Hilfsstrategien des Westens, welche die zentralen Probleme der Bauern in der „Dritten Welt“ nie verstanden haben.

In einer Studie artikuliert die kirchliche Hilfsorganisation Caritas die Probleme deutlich. Viele afrikanische Bauern befinden sich in einer aussichtslosen Situation, mitten in einem unaufhaltbaren Kreislauf: Der Welthandelspreis für Baumwolle wird maßgeblich von den westlichen Staaten gedrückt, die ihren eigenen Baumwollanbau hoch subventionieren. In der Konsequenz können die Bauern West-und Zentralafrikas ihre Produktionskosten nicht mehr decken und ihre Kredite für Saatgut und Düngemittel nicht zurückzahlen. Um weiter produzieren zu können, werden Tiere und Land verkauft, was die Produktion in den Folgejahren erschwert. Die Auswirkungen betreffen nicht nur die Bauern selbst, sondern die ganze Gesellschaft, denn in einigen Ländern wie Burkina Faso stammen 60% der Exporteinnahmen aus dem Baumwollanbau.

Szene aus "Das Ding" im Deutschen Theater, Foto von Arno Declair

Obwohl die Thematik eigentlich nicht viel Stoff für Witze bietet, ist die satirische Kritik der Globalisierung im Theaterstück gelungen. „Das Ding“ bleibt aufgrund der pointiert dargestellten Einzelschicksale, die unvorhersehbar zusammengeführt werden, über zwei Stunden durchgehend unterhaltsam. Die Schauspieler, von denen der größte Teil an der Ernst-Busch-Schauspielschule studiert, leisten mit viel Körpereinsatz hervorragende Arbeit: ob sie nun eine dampfende Garnspinnmaschine, afrikanische Baumwollpflücker oder asiatische Arbeiter darstellen. Sie demaskieren dabei Klischees, indem sie plakativ Stereotype verkörpern: Chinesen essen Nudeln aus der Asia-Box und die Afrikaner singen und trommeln bei der Arbeit. Sie helfen die eher schwierig nachzuvollziehenden Zusammenhänge der Weltwirtschaft auf den Punkt zu bringen – etwas, was diesem Abend am Deutschen Theater hervorragend gelingt.

(Fotos: Arno Declair)

Nächste Vorstellungen: 24./25. Januar und 9./11. Februar in der Box des Deutschen Theaters/ Karten im VVK+AK 12,- €

Deutsches Theater, Schumannstraße 13a, Berlin-Mitte, U-Bahn: Oranienburger Tor