Planetary Assault Systems – The Messenger

Cover

Space is the place: Spätestens seit Sun Ras kosmischer Expedition Mitte der 70er Jahre ist das All ein immerwährender Sehnsuchtsort des Pop. In der von der Erfindung des Synthesizers befeuerten Krautrock-Euphorie war der Weltraum für Bands wie Tangerine Dream ein Refugium der Freiheit, unbelastet von den Zwängen und Formalismen erstarrter Macho-Rockposen. Als von irdischer Banalität entkoppelte Sphäre markiert das All als popkulturelles Phantasma stets zugleich die Transzendenz des Gewohnten als auch einen Aufbruch zu bislang unentdeckten Welten.

In der elektronischen Musik zeigt sich das ungebrochene Space-Faszinosum derzeit am Faszinierendsten bei Luke Slaters Ein-Mann-Projekt Planetary Assault Systems. Der britische Techno-Haudegen reaktivierte seine erstmals 1997 auf Peacefrog in Erscheinung getretenen planetarischen Kampfsysteme 2009 mit der LP „Temporary Suspension“ auf Ostgut Ton. Nun legt er mit „The Messenger“ sein zweites Album auf dem Berghain-Imprint vor. Dem Berghain ist Luke Slater seit einiger Zeit auch als Resident-DJ verbunden. Wer ihn dort auflegen hört, der wird bemerken, dass hier kein Mann der subtilen Töne am Werk ist. Seine Vision von Techno entspricht mehr forciertem Maximalismus und rasender Kakophonie als einem cleanen und durchgestylten Sound. Dieser Entwurf ragt in seiner robusten Bauart als Pfeiler aus der nivellierten Tech-House-Landschaft heraus. In seinen DJ-Sets geht es eben nicht um softes Überblenden zwischen den Tracks und subtile Spannungsbögen, sondern um die richtige Platte im richtigen Moment. Falls diese sich nicht immer harmonisch mixen lässt: Sei’s drum. Wenn der Pitch-Regler ächzt, der Beat sich zu überschlagen droht und die Filter bis zum Anschlag gedreht sind, dann ist Luke Slater als DJ in seinem Element.

Man kann „The Messenger“ als eine kontemplative Reflexion dieser unmittelbaren Entgrenzungserfahrung im Club verstehen. Die Platte beginnt sehr ruhig und erzeugt damit einen spannungsvoll ausgedehnten Moment vor dem Einsetzen der ersten Bassdrum. Zauberhafte Ambient-Flächen eröffnen die Reise in den Weltraum in „Railer (Further Exploration)“, man möchte sie in ihrem unbekümmerten Wohlklang am liebsten festhalten. Wie der Titel verheisst, schlägt „Beauty In The Fear“ dann eine andere Richtung ein: Ein Gerüst aus nervösen Snare-Patterns und dunklen Strings ist von einer mächtigen und dabei gleichzeitig in Statik ruhenden Bassdrum unterlegt. Jener Kontrast zwischen der Kontinuität einer solider Bassdrum und einem frickeligen und fast hysterisch anmutendem Überbau durchzieht viele Tracks.

Bereichert wird „The Messenger“ durchgängig von einer Vielfalt an rätselhaften Klängen: Es schabt, kratzt, knistert und schleift, dass es eine freudige Herausforderung für die Gehörknöchelchen ist. Mit Soundexperimenten haben die Tracks dennoch wenig gemein, dazu sind sie zu sehr auf der Tanzfläche verwurzelt. In „Bell Blocker“ lässt Luke zum ersten Mal die Muskeln spielen und legt ein Arsenal aus Snares, Bässen, Glocken und Hi-Hats übereinander, bis der Track schließlich als Rave-Feuerwerk explodiert. Hier treffen Funktionalität und psychedelisch-ravige Klangsedimente aufeinander, die auf vermeintlich stilvolle Minimal-Gebote pfeifen. Ein Grumdmotiv der Platte ist die maschinelle und sehr fein austarierte Rhythmik, die sowohl diese entfesselten Momente als auch ruhigere Tracks wie „Motiv“ als Grundgerüst stützt.

Man hört „The Messenger“ förmlich an, wie Luke zuerst an den Drum-Patterns geschraubt und dann ausgelotet hat, welche atmosphärischen Schichten davon getragen werden. Im Sound von „Planetary Assault Systems“ ist zwar ein einheitliches ästhetisches Grundmotiv erkennbar, welches aber erfreulicherweise ganz unterschiedliche Klangfacetten hervorbringt. Das reiche Spektrum an Stimmungen zwischen Film-Noir, Industrial, Ambient und kompromisslosem Techno machen „The Messenger“ in der Tat zum aufregenden Trip in den interstellaren Raum.

 

Preview:

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Tracklist:

  1. Railer (Further Exploration)
  2. Beauty In The Fear
  3. Human Like Us
  4. Bell Blocker
  5. Wriss
  6. Movement 12
  7. Call From The East
  8. Kray Squid
  9. Rip The Cut
  10. Motif
  11. Cold Bolster
  12. Black Tea

(Ostgut Ton)