Tim Hecker – Dropped Pianos

„Musik bleibt als Sprachrohr ebenso mehrdeutig wie polyglott“, sagte der Komponist Mauricio Kagel und machte damit auf die Wichtigkeit der Verbalsprache im Zusammenhang mit Musik aufmerksam – und behielt Unrecht. Dass Musik keinerlei Sprache bedarf, beweist Tim Hecker auf seinem aktuellen Album „Dropped Pianos“ mehr denn je: er verzichtet in seinen gewohnt progressiven Ambient-Kompositionen nämlich nicht nur auf Worte, sondern auch auf Titelnamen. Stücke werden als durchnummerierte „Sketche“ präsentiert, deren Grenzen ineinander überfließen, sodass sich eine starke Homogenität manifestiert.

„Dropped Pianos“ entstand während der Aufnahme des letzten Albums „Ravedeath, 1972“ und ist als klangliche Dokumentation des Aufnahmeprozesses zu verstehen, weshalb starke Parallelen einzelner Kompositionen herauszuhören sind oder sich Stücke gar dasselbe Fundament teilen. So überrascht es umso mehr, dass „Dropped Pianos“ als eine Art Demotape zum eigentlichen Werk nicht nur in jeder einzelnen Sekunde für sich steht, sondern auch an vielen Stellen besser ist als sein Vorgänger. Denn es offenbart eine Intimität, die für eine halbe Stunde dafür sorgt, dass die Welt in diesem Moment perfekter ist, als sie es jemals sein wird.

Tim Hecker untertreibt natürlich gewaltig, wenn er von „Sketchen“ redet, denn diese stellen sich schon bei kurzem Hinhören als abgeschlossene Bühnenwerke heraus, die mehr erzählen, als durch Worte je möglich wäre. Er schafft klangliche Räume, die stets isoliert und menschenleer sind und dennoch mehr Leben ausstrahlen als überfüllte Stadien. Das siebte Studioalbum des Kanadiers lebt von verformten Klavierschnipseln, die in elektronische Soundscapes umhüllt werden und an vielen Stellen an William Basinskis „Disintegration Loops“ erinnern (insbesondere im „Sketch 7“). Filmmusik ist das Ganze nicht, denn die Bilder, die diesen Klängen gerecht werden, müssen noch gefunden werden.

„Dropped Pianos“ ist in all seiner Ruhe und Ausgeglichenheit wuchtiger als der Aufprall eines Klaviers. Es wird sich nicht nur in die Liste der besten Ambient-Alben aller Zeiten einreihen, sondern gehört sicherlich auch zu einem der besten Alben des Jahres.

Preview:

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Tracklist:

  1. Sketch 1
  2. Sketch 2
  3. Sketch 3
  4. Sketch 4
  5. Sketch 5
  6. Sketch 6
  7. Sketch 7
  8. Sketch 8
  9. Sketch 9

(kranky / Cargo Records)