Aberglaube ist mächtig, so absurd er in säkularen Zeiten auch sein mag. In Großbritannien verheißt die Begegnung mit einem schwarzen Hund traditionell unheilbringende Zukunftsaussichten. Dunkle Mythen ranken sich auf der Insel noch immer um die armen Vierbeiner: Mit Verdammung hat gar zu rechnen, wer niemandem von der Begegnung mit dem schwarzen Hund berichtet. So dürften die britischen Techno-Pioniere von The Black Dog ihren Namen nicht ganz zufällig gewählt haben. Ein ähnlich sinistres Image haftet nämlich seit gut 20 Jahren ihrem Sound an. So verpassten sie letztes Jahr mit der LP “Music for real Airports” Brian Enos visionärem Ambient-Klassiker “Music for Airports” von 1978 eine dystopische Wende. Selten waren Field-Recordings aus dem öffentlichen Raum so düster und kunstvoll mit Zeitlupen-Ambient untermalt worden. Der einst als Symbol der Moderne geltende Airport war nun nicht mehr Versprechen von Technikutopie und mobiler Zukunft, sondern reflektierte mit Tracks wie “passportcontrol” oder “waitbehindthisline” die Tristesse einer globalen Post-9/11-Kontrollgesellschaft.
In den 90er Jahren galten The Black Dog neben Autechre und Aphex Twin als Vordenker und Protagonisten der sogenannten IDM (Intelligent Dance Music): Ein unglücklich gewählter Genrename für elektronische Musik, die sich schlichter Dancefloor-Funktionalität und der Hoffnung auf kommerzielle Verwertbarkeit entzieht. Als Instrumente dafür erfreuen sich vertrackte 7/8 Rhythmen, disharmonische Störgeräusche und unerwartete Breaks einiger Beliebtheit. Dem Hörer sollte also mehr abverlangt werden als nur die Rave-Euphorie unmittelbarer Körperlichkeit. Fragt sich nur, was an dieser so schlecht sein soll. Es gibt subtilere Formen der Abgrenzung, als elektronische Musik in verkopfter Manier mit dem Prädikat “intelligent” auszustatten. Wie dem auch sei, The Black Dog mussten fortan mit dem Label leben. Verkopfte Tracks haben sie allerdings nie gemacht. Im Gegenteil: Ihr Anspruch war nie elitär, so ist die Combo auch nach etlichen Jahren und einigen Besetzungswechseln ihrer Heimatstadt Sheffield verbunden.
Auf ihrer neuen Platte “Liber Dogma” kehren sie dem Ambient den Rücken und wenden sich einem Sound zu, den man zwischen minimalem Dubstep und der unterkühlten Soundästhetik von straightem und puristischem Techno verorten kann. Bereits die zuvor releasten 12” machten klar, wohin die Reise geht: Zurück in den Club. Allerdings nicht in irgendeinen Club. Vom trostlos-postmodernen Airport geht es an einen Ort, den man sich als Amalgam aus kaltem Stahl, Beton und Chrom vorstellen kann, durch den eine eisige Atmosphäre verfallener Industrieromantik weht. “Liber Dogma” lebt in einer Welt genau zwischen Detroit-Traditionsbewusstsein und zeitloser Modernität. Die Tracks stehen dabei zwischen der effizienten Härte monolithischer Bassdrums und atmosphärischen Industrial- und Dark Wave-Zitaten.
Mit “Dark Wave Creeping” hat die Platte eine wunderschöne Breakbeat-Ouvertüre, die in ihrer fragilen Melancholie vorfreudig stimmt. Auf “The Death Ov The Black Sun” dominieren dann eine unregelmäßige Bassdrum und schwere Drone-Sounds. Noch weiß man nicht was folgt, wir könnten es auch mit einer sehr reduzierten Spielart von Dub zu tun haben. Mit “Steam Caliphate” gerät die Platte in klassische Techno-Gefilde und nimmt langsam aber sicher an Tempo auf. Dazwischen gibt es mit “Eden 353” noch ein verspieltes Headphone-Stück. In der zweiten Häfte ist dann Schluss mit gebrochenen Beats: “Single Light Focus” und “Silent Escape” sind Peaktime-Granaten wie aus dem Lehrbuch. Daraus entsteht ein sehr rougher und unmittelbarer Sound, der jedoch nie zum Selbstzweck einer vermeintlichen Authentizität wird. Offensichtliche Euphorie-Tricks werden dabei vermieden, vielmehr leben die Tracks von einer konsequenten Statik. The Black Dog ruhen sich nicht auf Motor-City-Zitaten aus, sondern stellen sie in den Dienst eines genuin eigenen Sounds. Möchte man die Briten trotzdem verorten, so seien sie allen Bewunderern von Perc, Regis oder Sandwell District wärmstens empfohlen. In einem Interview haben es The Black Dog kürzlich auf den Punkt gebracht: Der Sound aus den Beatport Charts gehe ihnen massiv auf die Nerven, weil es sich dabei nicht mehr um Musik, sondern lediglich um Sounddesign handle. Die Kompromisslosigkeit der Trotzreaktion auf “Liber Dogma” kann sich hören lassen und wird niemanden kalt lassen, der elektronische Musik gerne als düsteren Traum von Maschinen imaginiert. Wer hat noch gleich behauptet, Techno funktioniere nicht auf Albumformat?
Preview:
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Tracklist:
- Dark Wave Creeping
- The Death Ov The Black Sun
- Steam Caliphate
- Drop Kick Kali
- Eden 353
- Black Maria
- Single Light Focus
- Silent Escape
- Hype Knot 7
- Bird Siren
- Feeder Rub Out
- Worship: The Drum
- カークラッシュ魔術